Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
Vom Netzwerk:
augenblicklich über ihn kommen, dessen war er sicher. Und so rannte er.
Gleich zween Ebern an Mut, unbändigen, die in dem Bergwald
Kühn der Männer und Hund’ anwandelnde Hetze bestehen;
Seitwärts dahergestürmt durchschmettern sie rings die Gesträuche,
Weg vom Stamme sie mähend, und wild mit klappenden Hauern
Wüten sie, bis ein Geschoss ihr mutiges Leben vertilget.
    Die Verse geisterten ihm im Rhythmus seines hämmernden Herzschlags durch den Kopf. Er nahm wahr, dass andere um ihn herum – Grant, Muir, vielleicht auch Jackson – zwischendurch innehielten und das Feuer erwiderten, doch er rannte weiter, ohne sich umzusehen. Er war noch nie so lange so schnell gelaufen. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding. Als er zu einer Lichtung kam, die nur von Felsen und Gesträuch bedeckt war, versuchte er noch schneller zu rennen, um so bald wie möglich wieder den Schutz der Bäume zu erreichen, aber er konnte nicht.

    Grant drehte sich um und feuerte ein paar Schüsse aus der Sten ab. Er kam sich vor wie in einem tödlichen Märchen, von einer gestaltlosen bösen Macht durch dunkle Wälder gehetzt. Vielleicht hätten sie sich den Verfolgern stellen sollen – dann wäre er wenigstens nicht Gefahr gelaufen, mit einer Kugel im Rücken zu enden. Doch der Wald erstreckte sich endlos in alle Richtungen, und ihre Gegner waren ihnen an Feuerkraft mit ziemlicher Sicherheit überlegen. Wahrscheinlich auch zahlenmäßig.
    Er kam an den Rand einer offenen Fläche, wo anscheinend ein Erdrutsch die Bäume fortgerissen hatte. Vor sich sah er Reed fieberhaft zwischen den Felsen hindurchhasten. Grant feuerte eine kleine Salve in die Bäume. Das sollte die Verfolger für einen Moment aufhalten und ihm Zeit geben, die Lichtung zu überqueren.
    Das Blut pulsierte in seinen Ohren, abgesehen davon war es jedoch eine seltsam lautlose Schlacht. Die sporadischen Schüsse wurden schnell wieder von der feuchten Stille verschluckt. Deshalb waren die Motoren des Bombers über ihnen trotz der großen Flughöhe deutlich zu hören. Aller Gefahr zum Trotz blickte Grant auf.
    Das Unwetter war abgezogen, und ein kühler Wind trieb die Wolken auseinander. Zwischen grauen Fetzen hindurch sah er blassblauen Himmel – und davor einen dunklen Schatten wie von einer Fliege oder einem Vogel. Während er zusah, teilte sich der Schatten. Es schien, als ob ein Stück abbrach und zur Erde fiel, während der Rest ruhig weiterschwebte.
    «Weg hier!»
    Die anderen hatten die Lichtung bereits überquert, sodass niemand Grants Warnruf hörte. Er stürmte ihnen nach, wich Felsbrocken aus und sprang über Wurzeln und Baumstümpfe, die nach ihm zu greifen schienen. Die Verfolger mussten inzwischen den Rand der Lichtung erreicht haben: Er hörte Schüsse, sah die kleine weiße Staubwolke, als von einem Felsen nur etwa einen Meter entfernt eine Kugel abprallte. Durch seinen unregelmäßigen Zickzackkurs gab er kein leichtes Ziel ab, aber auch kein unmögliches. Der Rand der Lichtung war bereits quälend nahe, nur zwanzig Meter entfernt, doch er konnte es nicht riskieren. Er schlüpfte in eine Nische hinter zwei Felsbrocken und spähte durch den Spalt dazwischen.
    Eine Sekunde lang sah er sie deutlich: sieben Gestalten, alle in grünen Kampfanzügen. Sie hatten sich aufgefächert und standen in einer breiten Linie nebeneinander am Waldrand, die Gewehre im Anschlag. Grant hob die Sten und fragte sich, wie viele Patronen er wohl noch hatte. Da schlug hinter den Männern ein schwarzer Komet in den Wald ein.
    Die Welt ging in Flammen auf. Eine gewaltige Feuersäule erhob sich über dem Wald, dreimal so hoch wie die Bäume, die in dem Inferno augenblicklich brannten wie Zunder. Grant hatte noch nie eine solche Explosion gesehen. Statt nachzulassen, schwoll der Lärm noch weiter an, wie ein Zug, der durch einen Tunnel raste. Ein Windstoß fegte über die Lichtung; das gierige Feuer saugte alle Luft in der Umgebung ein, sodass Grant gegen die Felsen gepresst wurde. Die Druckwelle riss seine Verfolger von den Füßen wie Puppen und schleuderte sie in den brennenden Wald.
    Schwarzer Rauch kroch an der Feuerwand empor und verschluckte sie. Der Luftstrom wurde schwächer und strich jetzt in entgegengesetzter Richtung über Grant hin wie eine Welle, die sich über einen Strand zurückzog. Er ließ sich davon mitziehen, rannte stolpernd über das unebene Gelände bis zum gegenüberliegenden Waldrand, wo ihn die Übrigen erwarteten.
    «Was zum Teufel ist das?» Grants Lunge

Weitere Kostenlose Bücher