Der verhängnisvolle Urlaub
Kosmetikerin meldete sich keine.
Karin stand im Bad vor dem Spiegel und betrachtete gähnend ihr Gesicht, als das Telefon läutete.
»Laßt mich doch in Ruhe«, murmelte sie vor sich hin und schlurfte zum Apparat. Sie war noch im Nachthemd.
»Ja?« meldete sie sich.
»Karin!«
»Mutti!«
Mimmis Stimme war natürlich sofort erkannt worden.
»Kind, was ist mit dir? Ich habe schon hundertmal versucht, dich zu erreichen, aber es wurde nicht abgehoben, obwohl man mir sagte, daß du auf deinem Zimmer seist.«
»Ich habe wohl nichts gehört, habe ganz tief geschlafen, Mutti.«
»Ich ließ es minutenlang läuten. So tief kann man nicht schlafen.«
»Wenn man eine Tablette genommen hat, schon.«
»Eine Tablette?« erschrak Mimmi. »Seit wann brauchst du zum Schlafen Tabletten?«
»Nur ausnahmsweise eine. Die Aufregung hier, weißt du …«
»Dir steht eine noch größere bevor, deshalb rufe ich an.«
»Ich verstehe dich nicht, was ist los? Ist etwas passiert bei euch?«
»Ja.«
»Mach mich nicht bang«, stieß Karin hervor. »Was denn?«
»Vati hat durchgedreht.«
»Durchgedreht? Wie denn?«
»Er hätte um ein Haar den Fernseher kaputtgeschlagen, als wir dich in der ›Drehscheibe‹ erlebten.«
Karin fand das spaßhaft und kicherte, doch ihre Mutter sagte rasch: »Lach nicht, Kind, die Sache ist todernst. Er ist auf dem Weg zu dir, und ich wollte dich darauf vorbereiten. Ich mußte ihm gestern abend noch die Reisetasche packen. Wenn er nicht heute morgen und am Vormittag noch einmal im Geschäft aufgehalten worden wäre, hättest du ihn längst am Hals. Aber jetzt mußt du stündlich mit ihm rechnen.«
»Na und?«
»Kind«, seufzte Mimmi, »nimm das nicht auf die leichte Schulter. Du wirst einen ganz neuen Vater kennenlernen.«
»Aber Mutti, seit wann glaubst du, mir vor Vati Angst machen zu müssen?«
»Seit gestern.«
»Ach was, den wickle ich doch um den Finger, wie immer.«
»Nicht mehr, Karin. Es ist etwas geschehen in ihm, ich weiß auch nicht, was. Jedenfalls hat ihn deine ›Miß Nickeroog‹-Geschichte völlig verwandelt, in Raserei versetzt. Er hatte quasi Schaum vorm Mund, glaub mir.«
»Aber warum denn?«
»Frag mich nicht, vernünftig ist ja mit ihm nicht zu reden.«
»Und du? Was hältst du von meiner Wahl? Warst du nicht stolz auf mich?«
»Ursprünglich ja, sehr stolz, aber inzwischen ist mir das vergangen.«
»Seid ihr denn alle verrückt, Mutti?«
»Warte, bis du deinen Vater erlebt hast, dann reden wir weiter.«
»Ich lasse mich von dem nicht terrorisieren. Diese Zeiten sind vorbei. Ich bin –«
»Karin«, unterbrach Mimmi ihre Tochter direkt flehenden Tones, »ich bitte dich inständig, gerade diesen Standpunkt diesmal ihm gegenüber nicht zu vertreten. Das könnte eine Katastrophe geben.«
»Welche Katastrophe? Du tust ja so, als ob Gefahr drohe, daß er sich an mir vergreift.«
»Eben.«
»Waaas?«
Karin war erschüttert. Eine Ungeheuerlichkeit stand ihr vor Augen. Mit einem Schlag begriff sie den Ernst der Lage, wenn sie sich auch den Grund nicht erklären konnte und wohl nie würde erklären können.
»Was will er denn überhaupt?« fragte sie.
»Daß du sofort mit ihm nach Hause kommst.«
»Dann soll er mir das in ruhiger Form erklären, und ich überlege es mir. Wenn er mich aber anfaßt, ist alles vorbei, und er sieht mich nie wieder.«
»Karin!« rief Mimmi Fabrici entsetzt in die Muschel. »Und ich? Was ist mit mir? Soll dadurch auch ich mein Kind verlieren?«
»Wir können uns treffen.«
»Nein!«
»Du mußt einsehen, Mutti, daß ich unter solchen Umständen nicht mehr nach Hause kommen könnte.«
»Wenn das passiert«, fing Mimmi am Telefon zu weinen an, »sterbe ich. Und du wärst dafür verantwortlich, Karin.«
»Ich?«
»Ja, du.«
»Aber –«
»Weil du ihm nicht nachgibst. Nur einmal nicht nachgibst. Darum geht's doch.«
»Mutti«, seufzte Karin.
»Ein einziges Mal. Diesmal eben.«
»Mutti …«
»Aber ich kann dich dazu nicht zwingen«, schluchzte Mimmi. »Und jetzt muß ich auflegen, ich bin nicht mehr imstande –«
»Einen Moment, Mutti!«
»Ja?«
»Vater ist ein Scheusal!«
»Das will ich nicht bestreiten, mein Kind, aber wir lieben ihn beide, und wenn du das wahrmachst, was du angedroht hast, bringst du auch ihn ins Grab, darüber mußt du dir im klaren sein. Er könnte es nicht verwinden.«
»Auch du bist ein Scheusal, Mutter!«
»Nein, mein Kind.«
»Eine Erpresserin!«
»Die dich abgöttisch liebt, genau wie dein
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