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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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üblich gewesen war. Das war von behutsamen Händen im Laufe von sieben Jahrhunderten immer wieder erneuert und um- und ausgebaut worden, wobei jedoch die alten Bauweise erhalten blieb. Bücherey und Gasthaus zeigten sich noch nicht geprägt von der erst später entwickelten Vorliebe der Vahits für kreisförmige Bauten, wie bei den Brochs oder den noch jüngeren Rundhäusern. Allerdings gab es auch hier schon ein hohes Rund: einen Torweg, der vom oberen Stockwerk überwölbt wurde. Finn führte Smod hinein und folgte Gwaeths Schweif und dem hoch aufragenden Rücken des ihm vorausgehenden Mönchs. Die Eisen der Ponys hallten im stockdunklen Durchgang so laut wider, dass Tallia ihr Geklapper drinnen gewiss hörte.
    Noch hatte der Wirt die Nachtlampen nicht entzündet. Aber als sie das Tor hinter sich schlossen, schien draußen ein halbverhangener Mond und tauchte alles in sein gelbgraues Licht. Mehr tastend als sehend stellte Finn einen Gurt am Sattel richtig ein. Über Smods Kruppe warf er einen letzten Blick zu den Butzenfenstern, weil er ein goldumrahmtes Gesicht hinter der Scheibe zu erkennen glaubte; er blinzelte und wollte winken, aber da war nichts. Das Gesicht war plötzlich verschwunden oder er hatte sich getäuscht.
    Finn kletterte als letzter der Gefährten in den Sattel. Erschreckte aus seinen Gedanken auf, als er ein jähes Stampfen hörte, das von keinem ihrer Ponys herrührte   – er fuhr im Sattel herum und wurde eines Reiters ansichtig, der im tiefen Schatten unter der Kastanie verharrte.
    Die massige Gestalt hockte auf einem Pony, das dicht am Stamm des gewaltigen Baumes mit den Hufen scharrte, und sie war zunächst nicht mehr als ein weiterer Schatten   – ein Stück Schwärze im nassen Nachtgrau des Marktplatzes. Mit seinem regendunklen, lang über den Ponyrücken herabfallenden Lodenmantel verschmolz der Reiter fast mit seiner Umgebung. Unter der weit vorgezogenen Kapuze war kein Gesicht zu erkennen, nur die breite, tropfende Krempe eines Hutes lugte darunter hervor und eine Ahnung von Augen. Den Hut zierte kein Band; aber seitlich ahnten sie schemenhaft die eingestickte Sonnenblume. Der Reiter triefte, als habe er seit Stunden dort gestanden. Das Pony guckte sie traurig an.
    »N’ Abend zusammen«, sagte die Gestalt, und sie erkannten Bholobhorg Feldschwirls näselnden Tonfall. Er schniefte. Sein Atem kräuselte sich zu kleinen Wölkchen, während er sprach.
    »Bhobho? Bist du das etwa?«, fragte Mellow entgeistert. »Was um alles in der Welt machst du denn hier?«
    »Ich warte auf euch, wie du bemerkt haben wirst«, bekam er zur Antwort. »Ihr seid ohne Frage spät dran, aber immerhin vollzählig.« Bholobhorg warf die Kapuze zurück und legte grüßend die Hand an den Hutrand und nickte von einem zum anderen. »Wie ist das werte Befinden?«
    »Befremdlich, wenn du mich schon fragst«, versetzte Mellow. »Was soll das werden? Weshalb wartest du auf uns?«
    Der Tanninger Landhüter keckerte und schüttelte zugleich den Kopf. Seine Pausbacken bebten. »Sieht man das nicht? Ich bin eure Verstärkung«, erklärte er. »Ihr werdet Landhüterunterstützung brauchen, könnte ich mir denken.« Sein Stab lag quer über den Knien. Über die ungläubigen Blicke schürzte er die Lippen und ließ sein dickes Pony um die anderen herumtänzeln. »Also,ich für mein Teil«, feixte er weiter, »ich habe lediglich von eurer kleinen Reise runter nach Sturzbach gehört. Und da mich zufällig grad zu dieser Stunde Herr Gesslo mit einem Auftrag in den Untergau schickt, schlug ich vor, ich schließe mich euch besser an. Herr Gesslo stimmte mir zu; er fand den Vorschlag großartig. Ich überbringe euch hiermit seine besondere Empfehlung.«
    »Da du davon sprichst   – weißt du, was ich dir empfehle?« Mellows Stimme wurde ungehalten. »Und zwar sehr dringend? Du…«
    »Lass ihn«, sagte Circendil ruhig. »Er führt nur einen Auftrag aus. Ein treuer Gefolgsmann des Gauvogts! Treue sollte belohnt werden, findet ihr nicht? Du willst dich uns also anschließen, Bholobhorg Feldschwirl?«
    Bhobho neigte den Kopf und deutete eine Verbeugung an. »Das ist mein Wunsch.«
    »Er sei dir gewährt. Aber nur unter einer Voraussetzung.«
    Bhobhos Kopf ruckte hoch. »Was für eine Voraussetzung?«
    »Du stellst dich bedingungslos unter den Befehl des ehrenwerten Herrn Helvogts Mellow Rohrsang, und zwar für die gesamte Zeit, die du in unserer Gesellschaft verbringen wirst. Es ist dir jederzeit gestattet zu gehen, wenn diese

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