Der Verrat
in Langley nicht besonders gut sein. Der Gedanke an die langen Gesichter bei der Agency brachte Ross auf eine köstliche Idee. Er klatschte laut in die Hände, rieb sie sich genüsslich und ging ins Schlafzimmer.
»Wo willst du hin?«, fragte Garret.
»Ich ziehe mich an. Ich habe heute Vormittag einiges zu tun, und ich muss einen spontanen Besuch einschieben.«
42
Langley, Virginia
Kennedy wusste, dass sie zu der Sitzung der CIA-Führungsspitze zu spät kommen würde, was ihr eigentlich gar nicht ähnlich sah. Noch ungewöhnlicher war, dass sie vorher ausgeschlafen hatte. Sie brauchte dringend etwas Schlaf nach einer langen, ruhelosen Nacht. Nachdem sie zu Bett gegangen war, hatte sie noch den Fernseher eingeschaltet, um Letterman zu sehen, und sich den Kopf darüber zerbrochen, dass auch Josh Alexander in die Sache verwickelt sein könnte. Sie schlief ein, bevor der erste Gast auftrat, wachte gegen drei Uhr morgens auf und wälzte sich dann zwei Stunden unruhig hin und her, in denen sie sich immer wieder fragte, was für einen Schaden dieser Schlamassel anrichten konnte. Wenn wirklich die zweite Limousine das Ziel des Anschlags war und das Ganze eingefädelt worden war, um einerseits ein Problem für die Kandidaten zu lösen und andererseits Sympathie in der Öffentlichkeit zu gewinnen, dann war das ein klarer Fall von Wahlmanipulation, was einem ohnehin schon enormen Problem eine weitere beunruhigende Dimension verlieh.
Es war schlimm genug, dass unschuldige Menschen ermordet worden waren, doch Irene Kennedy wurde dafür bezahlt, sich um die größeren Zusammenhänge zu kümmern. Es ging in erster Linie um den Schutz des Landes und seiner Institutionen vor jedweden Angriffen aus dem Ausland. Was ihr am meisten Sorgen bereitete, war die Möglichkeit, dass die weißrussische Mafia ihre Hände im Spiel haben könnte. Russland und Weißrussland unterhielten immer noch sehr enge Beziehungen. Die Kommunikation zwischen ihren Geheimdiensten funktionierte gut. Die Informationen flossen nicht immer in beiden Richtungen, doch letztlich bekam Mütterchen Russland stets, was es wollte. Es gab kaum eine klare Trennung zwischen den Geheimdiensten der Länder und dem organisierten Verbrechen. Wenn die weißrussische Mafia an der Vorbereitung des Anschlags beteiligt war, dann konnte man davon ausgehen, dass auch der KGB davon wusste. Mit derartigen Informationen in der Hand war der russische Geheimdienst sogar in der Lage, die nächste Regierung zu Fall zu bringen.
Gegen fünf Uhr war sie schließlich wieder eingeschlafen, und es war ihr Sohn, der sie um Viertel nach acht weckte. Er würde zu spät zur Schule kommen und sie zu spät zur Arbeit. Normalerweise hätte sie sich in einer solchen Situation bemüht, so schnell wie möglich aus dem Haus zu kommen, doch als sie einen Blick auf die Titelseite der New York Times warf, beschloss sie, sich Zeit zu lassen. In Langley würden heute Morgen alle möglichen Beschuldigungen laut werden. Langjährige Mitarbeiter, darunter auch Freunde, würden überlegen, wie sie sich verhalten sollten. Viele von ihnen würden zu dem Schluss kommen, dass es Zeit war, sich von Kennedy zu distanzieren. Dass sie nicht pünktlich zur Arbeit erschien, würde die Gerüchte weiter anheizen, doch das ließ sich nicht ändern.
Nachdem sie Tommy zur Schule gebracht hatte, faltete sie die Zeitung auseinander und las den Artikel, während ihr Chauffeur sie direkt nach Langley fuhr. Sie las die Geschichte zweimal und musste jedes Mal lächeln. Rapp hatte in zweierlei Hinsicht recht gehabt. Erstens glaubte Rich offenbar wirklich, für die Geschichte den Pulitzerpreis zu bekommen, und zweitens würde die Sache tatsächlich lustig werden.
Als sie aus dem Aufzug vor ihrem Büro trat, telefonierten ihre beiden Assistentinnen gerade. Die Anfragen stapelten sich bereits auf ihren Schreibtischen. Sheila, mit ihrem gewohnt übertriebenen Make-up und dem roten Haar, warf ihr einen flehentlichen Blick zu. Kennedy lächelte, wünschte ihnen einen guten Morgen und betrat ihr Büro. Drei Männer erwarteten sie am anderen Ende des Raumes. Sie hatten sich bereits an den Konferenztisch gesetzt. Kennedy stellte ihre Aktentasche hinter den Schreibtisch, schloss die Tür und hängte ihren schwarzen Kaschmirmantel in den Kleiderschrank. Sie zog an den Ärmeln ihrer weißen Bluse und knöpfte die Jacke ihres blauen Nadelstreifen-Hosenanzugs auf.
An dem Tisch saßen Deputy Director of Intelligence Charles Workman, Deputy
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