Der Verrat
den Kopf. »Ich habe mit Rivera gesprochen. Sie sagt, dass sie die Wagen nicht vertauscht haben.«
»Haben sie nicht?«, fragte Kennedy überrascht.
»Nein, und darum glaube ich, dass Gazich lügt.«
Das ungute Gefühl, das Kennedy schon die ganze Zeit in der Magengrube verspürte, wurde stärker. »Vielleicht ist es doch so, wie er behauptet«, sagte sie schließlich.
»Wie kommst du darauf?«
Kennedy blickte aus dem Fenster in die Dunkelheit hinaus. »Ich glaube, es ist Zeit, dass ich dir etwas zeige.«
40
Kennedy öffnete den Safe, nahm den großen Umschlag heraus und ging zu der Sitzgruppe auf der anderen Seite des Büros. Rapp folgte ihr und blieb neben ihr stehen, als sie die Fotos langsam nebeneinander auf den Tisch legte. Zuerst hatte er keine Ahnung, was er da vor sich sah – ihm war nur klar, dass es sich um heimliche Aufnahmen handelte, wahrscheinlich von zwei Leuten, die nicht miteinander verheiratet waren. Die Frau hatte irgendetwas an sich, das ihm bekannt vorkam. Rapp ignorierte ihren nackten Körper und konzentrierte sich auf das Gesicht. Auf den ersten sechs Fotos war sie zu sehr in das Geschehen vertieft, aber auf dem siebten hatte sie den Mund geschlossen, ihr Gesicht wirkte entspannt, die Augen schauten in die Ferne. Ihr ausdrucksloser Blick kam ihm eindeutig bekannt vor. Rapp sah sich noch einmal die anderen Fotos an und ging dann wieder zum siebten zurück. Er hätte es fast vom Tisch genommen, um es näher zu betrachten, doch sein professioneller Instinkt ließ ihn innehalten. Es war nicht ratsam, Fingerabdrücke auf etwas zu hinterlassen, das Kennedy offensichtlich sehr beunruhigte.
Erneut konzentrierte sich Rapp auf das Gesicht und ignorierte den schönen Körper. Die hohen Wangenknochen, die schmale Nase, das lange kastanienbraune Haar, das die rechte Gesichtshälfte teilweise verdeckte – kein Zweifel, die Frau kam ihm irgendwie bekannt vor. Rapp konzentrierte sich ganz auf Augen, Nase und Mund. Plötzlich machte es klick. Er stellte sich die Frau mit Pferdeschwanzfrisur vor, modisch und doch konservativ gekleidet, wie sie ihre Rolle als Frau des Präsidentschaftskandidaten spielte. Es war Jillian Rautbort, die Frau des designierten Präsidenten. Rapp erinnerte sich noch gut, wie sehr ihm der Anschlag auf das prominente Paar nahegegangen war. Er konnte den Schmerz des Mannes umso mehr nachfühlen, als seine eigene Frau Anna ebenfalls durch einen Anschlag ums Leben gekommen war. Rapp hatte Bilder von der Beerdigung gesehen und einige öffentliche Stellungnahmen gehört, die Alexander unmittelbar nach der Tragödie abgegeben hatte. Und noch am Abend der Wahl, als der Sieg feststand, hatte der Mann zutiefst getroffen gewirkt. Der größte Erfolg seiner Karriere wurde durch einen Verlust getrübt, der nicht wiedergutzumachen war.
Diese Fotos hier zwangen Rapp nun, die schmerzlichen Erinnerungen infrage zu stellen. War die Trauer des Präsidenten nur gespielt? Rapp konnte das nur schwer glauben. In seinem Job kam es nicht zuletzt darauf an, Menschen in Sekundenbruchteilen richtig einzuschätzen. Von seiner Fähigkeit, Freund und Feind zu unterscheiden, konnte irgendwo in einem fremden Land das Überleben abhängen. Alexanders Trauer schien jedenfalls echt zu sein. Wenn er imstande war, Gefühle so glaubhaft vorzutäuschen, musste der Mann ein richtiges Monster sein.
Rapp sah sich nun auch den Mann auf den Fotos an. Auf dem ersten Bild standen beide, dann saß Jillian auf dem Mann in einem Polstersessel am Pool. Der Kerl war ein richtiger Bulle. Jillian Rautbort wirkte sehr zart auf ihm. Während sie vollkommen nackt war, hatte der Mann noch die meisten Kleider an. Auch er kam Rapp irgendwie bekannt war. Plötzlich fiel ihm am linken Ohr des Mannes etwas auf, das ganz nach einem Earpiece aussah. Rapp suchte die anderen Fotos danach ab und fand es auf zwei weiteren Bildern.
»Großer Gott«, murmelte er leise.
Er betrachtete die Bilder, auf denen der Mann auf dem Rücken lag, und konzentrierte sich vor allem auf den Gürtel. Rechts an seiner Hüfte erwartete er, entweder ein Funkgerät oder eine Pistole zu finden. Die Fotos waren nicht scharf genug, aber irgendetwas war da.
Ohne den Blick von dem Foto zu wenden, murmelte Rapp: »Bitte sag mir, dass der Typ kein Agent des United States Secret Service ist.«
»Leider ist er einer.«
»Das muss ein verdammt schlechter Scherz sein.«
»Ich wünschte, es wäre so.«
»Wer ist er?«
»Special Agent Matt Cash.«
Rapp betrachtete die
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