Der Verrat
Begnadigung.«
Ross nahm einen kräftigen Schluck Wein und lächelte. Er konnte nicht garantieren, dass er Green den Gefallen tun konnte – ja, es war sogar eher wahrscheinlich, dass Präsident Hayes ihm den Wunsch abschlagen würde, was wiederum bedeutete, dass Josh Alexander seine Amtszeit mit einer sehr umstrittenen Begnadigung beginnen müsste. Die Sache würde so oder so nicht leicht werden. Es gab jedoch noch eine andere Option, wie Ross plötzlich bewusst wurde. Er sah Green in die Augen und hob das Glas.
»Auf die Begnadigung.«
»Auf die Begnadigung«, antwortete Green und stieß mit Ross an. »Darauf trinke ich gern.«
Ross lächelte und dachte bei sich: Und darauf, dass du noch vor dem kommenden Samstag durch einen tragischen Unfall ums Leben kommst.
7
Limassol, Zypern
Rapp achtete darauf, dass er nicht zu nah ans Fenster trat. Er blickte durch das Teleobjektiv und sah einen zweiten Mann auftauchen. Rapp drückte den Auslöser halb durch, und die Digitalkamera stellte die Schärfe automatisch ein. Er drückte den Knopf ganz durch und machte zwei schnelle Fotos. Tief ausatmend ließ er die Kamera sinken, ohne den Blick von der Straße zu wenden.
»Wer, zum Teufel, sind diese Kerle?«, fragte er sich stirnrunzelnd.
Er stellte sich diese Frage schon seit Stunden, und er war der Antwort noch keinen Schritt näher gekommen. Die Fotos, die er machte, schickte er laufend an Marcus Dumond in Langley, damit er sie vom Gesichtserkennungssystem überprüfen lassen konnte – bis jetzt ohne Erfolg. Das System funktionierte sehr gut, wenn man die Parameter ein wenig einengen konnte, doch Rapp hatte nicht die geringste Ahnung, wo diese Typen herkamen oder für wen sie arbeiteten. Er ließ Dumond zunächst von der Annahme ausgehen, dass sie Polizisten waren, und der Cyber-Techniker verschaffte sich Zugang zur Datenbank der Polizeizentrale von Limassol. Dumond ging die Personalakten durch, doch die gesuchten Männer waren nicht darunter. Auch bei der Bundespolizei und beim Geheimdienst wurde er nicht fündig.
Rapp war schon früher auf Zypern gewesen – hauptsächlich in Nikosia, der Hauptstadt des griechischen Teils der Insel. Der Nordosten wurde von den Türken kontrolliert. Aufgrund seiner Lage am östlichen Rand des Mittelmeers war Zypern seit jeher von großer strategischer Bedeutung gewesen. Jahrtausendelang war die Insel heiß umkämpft gewesen, weil man von hier aus die Meeresstraßen zwischen Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika kontrollieren konnte. Viele Völker hatten Zypern schon beherrscht – unter anderem die Phönizier, Assyrer, Griechen, Perser, Ägypter, Römer, Araber, die fränkisch-lusignanische Dynastie, die Venezianer und die Osmanen. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Handelsrouten war die Insel auch bei Piraten und Sklavenhändlern beliebt gewesen. Heute trieben sich hier deren Nachfahren herum – Drogenhändler, Mafiosi und seit Kurzem auch Terroristen. Nach dem Anschlag vom elften September kam man dahinter, dass Osama bin Laden hier einen Teil seiner Bankgeschäfte abgewickelt hatte. Die Insel war berühmt-berüchtigt für ihre zwielichtigen Seiten, was das Rätsel um die Männer, die Rapp hier beobachtete, nur noch größer machte.
Das Einzige, was er sicher wusste, war, dass er drei Leute gesehen hatte. Um wirklich gute Überwachungsarbeit zu leisten, brauchte man Leute und Ausrüstung. Im Moment fehlte es an beidem. Rapp hatte Brooks zum Flughafen geschickt, um Coleman und seine Männer abzuholen. Er hätte Irene Kennedy bitten können, ihm Leute von der Botschaft in Nikosia zu schicken, doch das wäre mit gewissen Risiken verbunden gewesen. Der Botschafter hätte möglicherweise mitbekommen, dass die CIA eine Operation in seinem Zuständigkeitsbereich durchführte, worauf er wahrscheinlich einen Anfall bekommen und das Außenministerium verständigt hätte. Damit wäre die ganze Sache außer Kontrolle geraten. Das Entscheidende bei solchen Operationen war, dass man behutsam vorging und möglichst unauffällig blieb.
Was die Ausrüstung betraf, so bedauerte Rapp, dass er nicht wenigstens ein Parabolmikrofon eingepackt hatte, um mithören zu können, was diese Typen redeten. Nachdem sie jedoch mit einem Linienflugzeug geflogen waren, hatte Rapp beschlossen, keine Überwachungsausrüstung mitzunehmen. Es war schon schwer genug, Pistole, Schalldämpfer und etwas Munition ins Land zu schmuggeln. Abhörgeräte, Kameras, Scanner und Parabolmikrofone brauchten eine Menge Platz und
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