Der Verrat
Ernstes glaubst, du hättest in den Umfragen aufgeholt. Dass du glaubst, wir hätten es auch ganz allein geschafft. Das hast du doch nicht wirklich gesagt, oder?«
Ross blickte aus dem Fenster. »Stu, Wahlen sind eine komische Sache.«
»Mark, du brauchst mir nichts über Wahlen erzählen. Ich manage seit dreißig Jahren Wahlkämpfe, und ich sage dir klipp und klar, dass ihr nicht den Funken einer Chance gehabt hättet. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr die Wahl gewinnt, war ungefähr so groß wie die, dass ein Republikaner Bürgermeister von San Francisco wird … also gleich null.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»O doch, Mark, und du solltest schnell aufhören zu träumen, weil unser Freund in Europa nämlich nicht der Typ ist, mit dem man sich anlegen sollte.«
Ross hatte genug von alldem. »Nächsten Samstag werde ich als neuer Vizepräsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Ich denke, unser Freund sollte sich langsam Gedanken machen, mit wem er sich nicht anlegen sollte.«
»Nun, also … er ist nicht dein einziges Problem, Mr. Vice President.« Garret blickte aus dem Fenster und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
»Was?«
»Das FBI, das Justizministerium und die CIA geben morgen um zehn Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz.«
»Warum?«
»Es heißt, sie haben den Kerl geschnappt, der hinter dem Anschlag auf den Konvoi steckt.«
»Den Kerl, der hinter dem Anschlag steckt«, wiederholte Ross mit großen Augen. »Du meinst den, der den Anschlag ausgeführt hat?«
»Oder einen seiner Komplizen. Es schwirren eine Menge Gerüchte herum – ich weiß auch nicht genau, wen sie wirklich geschnappt haben.«
»Ist die Sache schon in den Medien?«
»Ja, sie blenden es immer wieder im Lauftext ein, aber sie wissen auch keine Einzelheiten.«
»Scheiße«, fluchte Ross. »Er hat mir gesagt, er würde sich darum kümmern. Das hat er mir gestern Abend gesagt.«
»Als ich heute Morgen mit ihm telefonierte, war noch nichts davon bekannt, und ich glaube auch nicht, dass er es wusste, sonst hätte er sicher etwas gesagt.«
»Lässt sich die Spur zu uns zurückverfolgen?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, antwortete Garret zögernd und schüttelte schließlich den Kopf. »Ich glaube aber nicht.«
»Du glaubst es nicht … Das klingt nicht gerade beruhigend.«
»Was soll ich dir denn sagen? Der einzige Weg, der zu uns führen könnte, wäre über Cy, und er ist ein sehr vorsichtiger Bursche.«
»Er würde uns ausliefern, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Das schon, aber so wie ich Cy kenne, hat er alle Spuren beseitigt.«
»Hast du schon mit Marty gesprochen?«, fragte Ross, auf den Justizminister anspielend.
»Ich hab’s versucht, aber er nimmt keine Anrufe entgegen.«
»Nun, meinen wird er entgegennehmen.« Ross zog sein Handy hervor und schaltete es ein. Während er auf das kleine Display starrte und wartete, dass es zum Leben erwachte, kam ihm ein Alternativplan in den Sinn. Er wollte schon darüber reden, überlegte es sich aber im letzten Moment anders. Wahrscheinlich war es im Moment am besten, die Sache für sich zu behalten. Erst musste er herausfinden, was der Justizminister wusste.
24
Washington D. C.
Rapp stand in das Badetuch gehüllt vor dem Fernseher und putzte sich die Zähne. Die beiden Wetterfrösche am Bildschirm erzählten ihm, dass eine Warmfront das Potomac River Valley erreichte. Für heute, Montag, wurde ein wolkenloser Himmel vorhergesagt, und die Temperaturen würden auf bis zu zehn Grad steigen. Am Dienstag sollte es sogar noch wärmer werden. Die Moderatoren zeigten sich sehr erfreut über diese Aussichten, zumal noch vergangenen Freitag ein Schneesturm in der Stadt getobt hatte. Für Rapp war das Wetter nur insofern interessant, als er wissen wollte, was er anziehen sollte. Ansonsten war es ihm ziemlich egal, ob es warm wurde oder kalt. Es war, wie es war, und man konnte ohnehin nichts daran ändern. Was ihn viel mehr interessierte, war die Frage, wie die bevorstehende Pressekonferenz in der Berichterstattung behandelt wurde.
Die Wohnung hatte keinen Kabelfernsehanschluss. Sie war überhaupt nur mit dem absolut Notwendigsten ausgestattet. Sie war Rapps geheimer Unterschlupf, den er hier in Washington unterhielt. Sein Bruder Steven war der einzige Mensch, der von der Wohnung wusste. Einmal hatte er sie auch seiner Frau gezeigt. Er war in der Nacht mit ihr hergekommen, damit niemand sie sehen konnte, und er zeigte ihr, wie man über die Feuertreppe
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