Der Verrat
um Nick handelte. Eine Seite weiter ging Jamie neben jemandem her, der kleiner war als er und feine Kurven aufwies, deshalb ging sie davon aus, dass es sie selbst sein sollte. Doch alle Menschen um Jamie herum waren nur Geister. Nur er stach auf jeder Seite klar hervor â strahlend und lachend und lebendig.
Mit leisem Quietschen öffnete sich dieTür, dieAngeln zeigten stöhnend Sebs Zögern.Als Mae aufsah und ihn dort stehen sah, groà und dunkel und demütig, wollte sie ihn am liebsten heftig schlagen.
Und das tat sie auch. Sie ging zu ihm und hieb ihm mit dem Zeichenblock vor die Brust.
»Selbst wenn du kein verlogener Mörder wärst, bedeutet das hier wohl, dass es zwischen uns aus ist!«
»Nein«, erwiderte Seb fast automatisch, als wäre das das normale Geräusch, das er von sich gab, wenn man ihn schlug. »Nein, Mae, das verstehst du falsch.«
Er packte sie an den Ellbogen, zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf den Mund wie einen Schlag. Er hielt sie wie eine groÃe Puppe, eine ungelenke Marionette, die er gerne beherrschen wollte. Zwischen ihren fest geschlossenen Lippen schmeckte sie seine Bitterkeit und die bereits vorhandene Hoffnungslosigkeit.
Als er aufhörte, öffnete sie ihre ebenfalls fest geschlossenenAugen.
»Als sei das wichtig«, sagte sie und verzog den Mund. »Wo du doch â¦Â«
»Ich bin kein Mörder!«, fuhr Seb sie an.
»Ach nein?Was glaubst du denn, wozu dieses Mal führt? Soll ich dich nächsteWoche noch einmal fragen?«
»Hör zu«, sagte er, »das ist nicht ⦠es ist nicht so, wie du denkst. Du bist verwirrt. Dieser Dämon hat dich angelogen.«
Mae lachte ihm ins Gesicht. »Du Idiot! Du weiÃt gar nichts, oder? Dämonen können nicht lügen!«
Seb öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich aber, doch auch das Schweigen schien ihm im Halse stecken zu bleiben.
Mae brachte ihr Gesicht so dicht vor seines, dass sie nur noch seine grünenAugen sah. »ImApril haben sie Jamie markiert.«
»Jamie?«Aus Sebs Mund klang der Name ganz anders.
»Ja.« Und in seinem eigenenTonfall, auch wenn sie wusste, dass es grausam war, wiederholte sie: »Jamie. Und der Dämon und derVerräter haben ihn gerettet. Und ich. Ich habe einen Magier getötet. Hat der Zirkel dir je davon erzählt?«
Seb starrte sie an.
Mae lächelte. »Ich würde dir ja seinen Namen nennen, aber den habe ich nie erfahren.«
»Mae, ich mag dich«, sagte Seb plötzlich eindringlich. »Darum habe ich ⦠ich dachte, ich könnte â¦Â«
»Ich glaube, wir wissen beide, warum du mich ausgesucht hast. Und wir wissen beide, wen du wirklich magst.«
»Nein, Mae, nein.Was redest du da, das passt gar nicht zu dir.«
»Vielleicht kennst du mich nicht«, meinte Mae, trat zurück und warf ihm den Zeichenblock vor die FüÃe. »SchlieÃlich weiÃt du sowieso recht wenig. Glaubst du, dieser Zirkel würde dir einenAusweg bieten? Glaubst du, dass daraus irgendetwas Gutes entstehen kann?«
»Ich konnte nirgendwo anders hin«, sagte Seb leise.
Mae holte tief Luft. »Nun, jetzt kannst du es. Lass uns gehen. Beide.Wir finden eine Lösung.«
Seb starrte sie nur an.
»Ich weiÃ, dass du mich pausenlos angelogen hast«, erklärte Mae. »Noch nie war es zwischen zwei Leuten so was von aus wie zwischen uns.Aber das spielt keine Rolle.Was eine Rolle spielt, ist, dass du hier rausmusst.«
Jamie, Nick, und jetzt Seb. Jungen zu retten schien eine beunruhigendeAngewohnheit zu werden.
»Seb!«, rief Laura. »Komm wieder rein.«
Seb sah Mae verzweifelt an. »Bleib hier«, sagte er noch einmal und verschwand.
Mae setzte sich aufs Bett und versuchte, sich eineAusrede zurechtzulegen. Sie glaubte nicht, dass es lange unbemerkt blieb, dass Seb im Haus herumlief wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ziemlich bald würde jemand durch dieseTür treten, und dann musste sie wissen, was sie tat.
Ganz langsam ging dieTür auf.Auf der Schwelle stand JessicaWalker. »Nanu?«, fragte sie. »Wen haben wir denn da?«
Mae strahlte sie an. »Hi! Ich habe gerade über das Praktikum nachgedacht, das du mir angeboten hast.«
Fünf Minuten später verlieà sie das Haus des Zirkels des Obsidian in Begleitung eines rivalisierenden Magiers. Seb wurde blass, als er sie sah, und Gerald war wütend, doch sie alle sahen Maes
Weitere Kostenlose Bücher