Der Verrat
nicht sehr mächtig sein, sonst würde ich die Magie bei ihm spüren, aber durch dieses Mal spielt das keine Rolle. Er hätte euch beide jederzeit töten können.«
»Hat er aber nicht. Und ich bezweifle, dass er uns je etwas antun wollte.«
»Tatsächlich.WeiÃt du, wer nie die Gelegenheit hat, seine Meinung zu ändern? EinToter.«
»Tu es nicht!«, sagte Mae scharf und wandte sich ab. Sie hörte, wie Nick aufstand, zu ihr herüberging und kurz vor ihr stehen blieb, sodass sie sein Schatten traf.
»Aber du ⦠du fühlst dich schlecht«, sagte er.
Mae sah ihm ins Gesicht. »Ja. Ich bin hergekommen, weil du es schaffst, dass ich mich besser fühle.«
»Was?«, fragte Nick. »Wie?«
Plötzlich funkelte er sie an, als hätte sie ihn geärgert. Sie streckte nicht die Hand nach ihm aus, egal, was das Mal wollte.
»Mir gefällt es, dass du nicht lügst«, erklärte Mae. »Und mir gefällt, dass du uns beschützen willst, auch wenn ich nicht will, dass du ihn umbringst. Du bemühst dich wirklich sehr und du gibst nicht auf. Das gefällt mir und deshalb bin ich gerne in deiner Nähe. Du schaffst es, dass ich mich besser fühle, wenn du nicht gerade dafür sorgst, dass ich mich schlecht fühle.Auch das kommt vor. Ich weià nicht, wie ich es besser erklären kann.«
»Ist dasTrost?«, fragte Nick langsam.
Mae holte tief Luft. »Ja, so in etwa.«
Es war logisch. Sie hatte sich bereit erklärt, ihm etwas über menschliche Gefühle beizubringen, also war es nur sinnvoll, wenn sie ihr eigenes Herz offenlegte, um ihm eineArt Handbuch zu bieten.
»Dein Dad«, begann sie. »Daniel meine ich. Du musst dich nicht schlecht fühlen, weil du ihm nicht auch gesagt hast, dass du ihn liebst. Er ist gerne mit dir in den Baumarkt gegangen. Er hat sich durch dich besser gefühlt, auch wenn er sich deinetwegen manchmal schlechter fühlte. Das ist das, was zählt.«
»Klar, darum hat er gefragt«, sagte Nick trocken. »Ich will etwas darüber wissen ⦠was er mich gefragt hat. Darüber.«
»Liebe kann ich nicht definieren«, sagte Mae, die plötzlich einen unerklärlichenAnflug von Panik verspürte.Auf einmal wäre sie am liebsten aufgesprungen und dieTreppe vom Dachboden hinuntergelaufen, ohne sich umzusehen. »Bitte mich nicht darum. Ich wüsste nicht, wie ich es erklären soll. Ich will nicht â¦Â«
Nick sah sie einen Moment lang fest an, zu intensiv und zu beunruhigend. SeineAugen waren wie die schwarze Nacht vor ihrem Fenster, die versuchte, hereinzukriechen. »Ich muss es wissen«, sagte er. »Und jedes Mal, wenn ich etwas darüber herausfinde, wird etwas anderes beschrieben. Manche Menschen behaupten, sie würde ewig währen. Stimmt das?«
»Liebe?«
Er nickte langsam, ohne den Blick abzuwenden.
Sie wollte ihn nicht anlügen und sie erinnerte sich unwillkürlich. IhrVater war kein Daniel Ryves gewesen. Er war auch kein BlackArthur. Er war ein warmherziger Mann, der sich Zeit genommen hatte, mit den Kindern zu spielen, der sie und Jamie zu Sportarten getrieben hatte, die sie nicht interessierten, die aber bedeuteten, dass sie gemeinsam etwas unternahmen. Er war derjenige gewesen, der Kinder wollte. Er hatte sie geliebt.
Doch irgendwann hatte er seine Illusionen über seine Familie verloren. Er hatte erkannt, dass sie nicht das waren, was er von seiner Familie erwartete, und dass sich das auch nicht ändern lieÃ, und er hatte aufgegeben. Er hatteAnnabel gesagt, dass es nicht funktioniere, als seien sie ein fehlgeschlagenes Experiment. DieAnfängerfamilie. Damit er beim nächsten Mal nicht noch einmal dieselben Fehler machte.
Die Erinnerung daran, wie er sie verlassen hatte, schmerzte Mae hin und wieder immer noch. Er selbst schaffte das nicht mehr.
»Nein«, antwortete sie zögernd. »Nein, manchmal hält Liebe nicht.Wenn man immer nur man selbst ist und nicht die Person, die ein anderer sich wünscht, die, die ein anderer lieben will, dann hört er manchmal damit auf. Und wenn ⦠wenn jemand einen nicht auch liebt, dann hört man manchmal auch auf, ihn zu lieben.Alles andere bleibt, der Schmerz und der Kummer.Aber die Liebe geht verloren.«
Nick schloss dieAugen und sagte: »Ich verstehe.«
Mae erkannte, dass sie gerade ein Bild beschrieben hatte, das genauso deutlich war wie Sebs Zeichnungen
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