Der Verrat
kühl wie seine Mutter. »Ich schätze, das beantwortet meine Frage.«
Annabel ging schnell zu ihrem Sessel zurück und griff nach ihrer Handtasche. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie sie schloss.
»Ich habe genug von diesem Unsinn, James«, sagte sie und richtete sich auf. Sie sah immer noch aus, als wäre sie ein wenig unsicher auf den Beinen, aber ihr Gesicht war blass und entschlossen. Sie sah Jamie auf einmal sehr ähnlich. »Ich will nicht â¦Wir können später über deine Strafe reden. Ich weià nicht ⦠Ich muss zurück zurArbeit. Und ich will so etwas nie wieder sehen!«
»Was genau, Mum?«
Annabels Mund zitterte ein wenig, dann presste sie die Lippen aufeinander. »Ich frage mich, ob Elizabeth noch Golf spielen will«, sagte sie, »ich bin es leid, hier meine Zeit zu verschwenden.«
»Annabel«, sagte Mae. »Bitte,Annabel â¦Â«
Ihre Mutter wirkte ängstlich, als fürchte sie, auch Mae würde anfangen, durch reineWillenskraft Dinge zu zerbrechen. Sie lief aus derTür durch den Flur, dieTreppe hinunter und zurück in ihr unkompliziertes Leben, in dem solche Dinge nicht vorkamen.
Mae war wie erstarrt, bis sie das Geräusch vonAnnabelsWagen aus ihrerTrance riss. Sie rannte hinaus, hinter ihr her, um sie zu Jamie zurückzubringen, damit sie ihreWorte zurücknehmen konnte.
DasAuto fuhr bereits dieAuffahrt entlang, deshalb lief Mae ihr nach und hieb mit der Faust danach.Annabel sah sich nicht um, und soweit Mae es sehen konnte, sah sie nicht einmal in den Rückspiegel. DerWagen beschleunigte einfach, so verzweifelt wollteAnnabel ihren Kindern und derenAbsonderlichkeiten entkommen. Mae verlor völlig den Kopf, rannte ihr nach und jagte sie, um sie einzuholen und bei sich zu behalten.
Als derWagen die HauptstraÃe zur Stadt erreichte, gab sie auf und setzte sich mit dem Kopf auf den Knien ins Gras.
Annabel war noch nie zuvor verschwunden, nicht wirklich, nicht so wie Roger. Sie war immer distanziert gewesen, aber sie war nie gegangen.
Mae stand auf und ging denWeg zu ihrem Haus zurück, als ihr auffiel, dass sie beide gerade Jamie allein gelassen hatten.
Als sie dieTür aufmachte, hörte sie Geralds Stimme aus der Küche.
Zögernd stieà sie dieTür ganz auf, aber leiser, und schlüpfte hinein.
Gerald sah nicht zurTür. Er saà auf einem der Barhocker am Küchentresen, den sandfarbenen Kopf zu Jamie geneigt, der an derArbeitsfläche lehnte und dieArme um den Körper geschlungen hatte.
»Ich weiÃ, dass es wehtut«, sagte Gerald. »Es tut mir leid, dass es wehtut.Aber das hört auf. Der Schmerz wird vergehen, das verspreche ich.«
Jamie stieà ein heiseres Lachen aus.
»Jamie, sieh mich an«, befahl Gerald leise, sodass Jamie vom Boden aufsah. »Ich verspreche es dir«, wiederholte Gerald ernst.
Jamies Gesicht wurde weich, er war immer noch traurig, doch ein wenig getröstet, und in seinem Blick lag mehr als nur ein wenig Bewunderung.
Mae schlüpfte so leise, dass ihre FüÃe kaum den Boden zu berühren schienen, dieTreppe hinauf und in ihr Zimmer, wo sie ganz vorsichtig dieTür öffnete, um Gerald auch nicht durch das leiseste Knarren zu verraten, dass er und Jamie nicht allein waren.
Jamie schien durch nichts zu lernen, dieTür zu seinem Herzen nicht so weit offen stehen zu lassen und es nicht zu glauben, wenn jemand so tat, als würde er ihn mögen. Mae ging zu ihrer Kommode und zog die zweite Schublade auf.
Sie nahm das Messer, mit dem sie einen Magier getötet hatte, unter einem zusammengelegten Hemd hervor.
Von diesem Messer hatte sie geträumt und den Gedanken daran gehasst. Nie wieder hatte sie es benutzen wollen. Doch jetzt, wo sie seinen Griff in der Hand spürte, schien alles ganz einfach. Sie hasste das Messer immer noch.
Doch sie war bereit, es zu benutzen.
Sie steckte es in dieTasche und wollte wieder hinuntergehen, doch als sie Gerald und Jamie sah, die mittlerweile in der Diele standen, hielt sie inne und lieà sich fallen, sodass dasTreppengeländer sie verbarg.Von dort aus beobachtete sie, was geschah, eine Hand um den Messergriff geschlossen.
Sie konnte hinunterrennen und Jamie rechtzeitig helfen. Gerald würde nicht erwarten, dass sie bewaffnet war.
Doch imAugenblick schien Jamie keine Hilfe zu brauchen. Gerald hatte ihm die Hand unter den Ellbogen gelegt und geleitete ihn sanft, doch als Jamie
Weitere Kostenlose Bücher