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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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Sie uns endlich, was zum Teufel passiert ist, Canton!“ Lucian war klar, dass er Canton unter Druck setzte, aber es war ihm egal.
    Canton atmete schwer, sein Gesicht war krebsrot. Matt schaute mit erhobener Augenbraue zu Lucian hinüber, als frage er sich, wie der Zustand des Mannes einzuschätzen sei. Spielte er ihnen etwas vor oder ging es ihm wirklich schlecht?
    „Ich brauche …“, flüsterte Canton und brach ab. „Ich brauche …“ Er griff in die Brusttasche des Morgenmantels, zog ein braunes Arzneifläschchen heraus, öffnete es und ließ eine Tablette in seine Hand gleiten. Mit zitternden Fingern steckte er sie sich in den Mund.
    „Ist alles in Ordnung, Mr Canton?“, erkundigte sich Matt.
    „Das Herz …“
    Lucian hatte das Etikett auf dem Fläschchen lesen können. Dem Kunsthändler drohte kein Herzstillstand, bei den Pillen handelte es sich nur um ein Beruhigungsmittel. „Dann nehmen wir doch besser alles mit, was wir brauchen, und Sie können sich ausruhen“, sagte Lucian und wandte sich wieder den Papierstapeln zu. Er verstaute sie in schwarzen Müllsäcken, die sie mitgebracht hatten.
    Gestern Nachmittag waren sie in der Kunstgalerie von Andrew Moreno in Chelsea gewesen. Es würde Tage dauern, bis sie die Papiere, die sie in seinem Büro beschlagnahmt hatten, durchgesehen hatten. Zusammen mit den Dokumenten von Canton hatten sie so viel zu tun, dass Lucian sich schon Nacht-und Wochenendschichten einlegen sah. Er wollte Emeline vom Auto aus anrufen und ihr sagen, dass er es wahrscheinlich nicht zum Met-Empfang am Abend schaffen würde. Sie hatten heute schon zweimal miteinander telefoniert, und sie hatte angespannt und verängstigt geklungen. Seit Tagen bekam sie nun schon diese Drohungen, und mit jedem Tag wurde sie verstörter. Von anderen, ähnlichen Fällen wusste Lucian, wie sehr die dauernde Bedrohung am Nervenkostüm der Opfer zerrte. Ab einem bestimmten Punkt konnte man die Drohungen nicht mehr einfach wegschieben und so tun, als wäre nichts. E-Mails und Anrufe, wie Emeline sie täglich erhielt, hinterließen Spuren in der Psyche der Opfer. Sie war am Morgen wieder zur Arbeit in den Laden gegangen und schon zweimal von dem Anrufer mit der mechanischen Stimme bedroht worden. Seine telefonische Nachricht war immer dieselbe: Wenn Du irgendjemandem verrätst, wie ich aussehe, dann töte ich Dich, bevor sie mich finden. Ich bringe Dich um und Deinen Vater gleich mit.
    „Und er wiederholt die Sätze“, hatte Emeline mit tränenerstickter Stimme gesagt. „Immer drei Mal, genau wie in den E-Mails.“
    Lucian hatte ihr versichert, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis Broderick und seine Leute den Schuldigen festnehmenwürden. Doch das war eine Lüge. Die polizeilichen Ermittlungen steckten in einer Sackgasse. Der Kerl war clever, wenn er so lange die Fangschleifen an Emelines Telefon umgehen konnte. War er so clever, dass er an Emeline herankommen würde? Lucian hoffe nicht. Er musste nur einen Fehler machen, ein paar Sekunden zu lange in der Leitung bleiben oder zu auffällig in die Schaufenster des Ladens schauen. Dann hatten sie ihn.
    „Diese Schublade ist leer“, sagte Matt zu Lucian, stopfte fünf weitere Aktenordner in die Mülltüte und deutete auf den nächsten Aktenschrank. „Ich geh den noch durch. Mach du dich an den Rest.“
    Cantons Gesicht wurde noch röter, als Lucian zum Schreibtisch trat und den Laptop hochnahm. Mit einem gequälten „Nein!“ stürzte der Kunsthändler sich auf ihn und biss in Lucians Hand.
    Matt warf sich auf Canton und rang ihn zu Boden. In weniger als dreißig Sekunden hatte er ihm Handschellen angelegt. Lucian las ihm seine Rechte vor und zählte dann die einzelnen Anklagepunkte auf. Die heftigen Schmerzen von der Bisswunde in seiner Hand zogen sich hinauf bis in seinen Arm.
    „Wenn Sie mir den Namen des Mannes oder der Männer verraten, mit denen zusammen Sie den Van Gogh und den Matisse gestohlen haben, dann lasse ich die drei letzten Punkte fallen. Dann haben Sie zumindest eine Chance, dass Sie nicht den Rest Ihres Lebens im Knast verbringen. Aber ich will diese Namen.“
    Zwanzig Minuten später verließen sie das Grundstück. Matt saß am Steuer, und Canton wimmerte in Handschellen auf der Rückbank. Lucian starrte immer wieder auf seine Hand hinunter, als hätte sie ihn verraten, weil sie dem Kunsthändler zu nahe gekommen war.

60. KAPITEL
    Iris Bellmer plagten Gewissensbisse. Sie war fassungslos, dass sie sich so leicht von Malachai und

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