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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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Spielzeugladen?“
    „Nein. Der Laden im Museum.“
    „Gefällt es dir im Museum?“ Anscheinend saß hier wirklich die Enkelin von der Nina Keyes vor ihm. Sie hatte dem Metropolitan Museum of Art einen neuen Flügel gespendet.
    „Im Museum bin ich am liebsten auf der ganzen Welt.“ Sie seufzte. „Nur …“
    „Ja?“
    Sie antwortete nicht.
    „Veronica ist immer gerne ins Museum gegangen. Aber in letzter Zeit hatte sie ein paarmal … solche …“ Robert suchte nach einem passenden Wort und zuckte dann nur mit den Schultern.
    „Was passiert im Museum, Veronica?“
    Sie biss sich auf die Lippen. „Ich weiß nicht. Aber es passiert auch nicht immer.“
    „Was passiert nicht immer?“
    Sie hob die Achseln. „Weiß nicht.“
    „Das macht nichts. Schaust du dir gern die alten Sachen im Museum an?“
    Veronica nickte begeistert.
    Malachai kramte in seiner Hosentasche und zog eine Münze hervor. „Ich zeige dir jetzt etwas, das auch im Museum liegen könnte. Das hier ist eine antike römische Münze.“ Er reichte sie ihr, und sie betrachtete sie voller Neugier. Danngab sie ihm die Münze zurück.
    „Jetzt pass auf.“ Malachai ließ die Münze durch seine Finger gleiten, sodass sie in seiner Hand verschwand und wieder auftauchte. „Kannst du mir sagen, wo die Münze jetzt steckt?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er streckte erst die rechte, leere Hand aus, danach die andere. Dann holte er die Münze hinter Veronicas linkem Ohr hervor, und sie quietschte vor freudiger Überraschung.
    „Ich möchte, dass du die Münze genau beobachtest. Lass sie nicht aus den Augen, wenn sie durch die Luft fliegt. Konzentrier dich ganz auf sie.“
    Das Kind starrte gebannt, als er die kreisrunde goldene Münze mit ruhigen, langsamen Bewegungen von einer Hand in die andere gleiten ließ. Es dauerte keine dreißig Sekunden, und ihr Blick war starr und abwesend wie bei jemandem, der unter Hypnose stand.
    Als sein Sohn Zaubertricks lernen wollte, hatte Malachais Vater das für reine Zeitverschwendung gehalten. Doch heute waren die Tricks ein unersetzlicher Teil seiner Arbeit mit den Kindern. Normalerweise dauerte es Stunden, bis man Kinder dazu brachte, sich zu entspannen und zu öffnen. Malachai brauchte nur wenige Minuten dafür.
    „Wir wollen jetzt die Erinnerungen hochholen“, sprach Malachai. „Kannst du in eine andere Zeit gehen, Veronica? In die Zeit der schlimmen Träume?“
    Ein paar Momente lang saß das kleine Mädchen ganz still. Dann bewegte sie sich so plötzlich, dass Malachai und ihr Vater vor Schreck zusammenzuckten. Sie fuhr zurück auf der Couch, streckte den Arm aus, als wolle sie jemanden festhalten und schrie laut: „Nein!“
    „Was ist los? Wo bist du?“
    „Nein, bitte nicht!“ Sie wimmerte leise, klagend, voller Angst.
    „Was passiert mit dir?“
    Veronica stöhnte auf. Ihre Augen starrten ins Nichts. Sie war nicht mehr in Malachais Büro, sondern in einer Erinnerung, die nur sie vor ihrem geistigen Auge sehen konnte. Dann begann sie zu weinen.
    Robert Keyes wollte seine Tochter tröstend in den Arm nehmen, doch Malachai hielt ihn zurück. Noch einen Moment , formte er wortlos mit den Lippen.
    „Veronica, hör mir zu. Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit. Was du siehst, ist schon vor sehr langer Zeit passiert. Du musst nicht dortbleiben, wenn du lieber gehen willst. Verstehst du mich?“
    Veronica schluchzte so heftig, dass sie kaum zu verstehen war, doch Malachai hatte ein paar Worte ausmachen können. Es ist meine Schuld .
    „Was ist deine Schuld?“
    Sie schluchzte nur noch lauter.
    „Veronica? Du musst dort nicht länger bleiben. Komm zurück zu deinem Vater. Komm jetzt zurück.“
    Sie öffnete die Augen. Dicke Tränen kullerten ihr über die Wangen, aber sie weinte nicht mehr.
    „Kannst du dich an irgendetwas erinnern?“, fragte Malachai.
    Veronica verzog angestrengt das Gesicht und dachte nach. „Nein.“ Sie klang enttäuscht.
    Malachai nahm ein Buch vom Tisch, ein Exemplar von Coco, der neugierige Affe , das er immer für solche Situationen bereithielt. „Es ist wie bei diesem Buch.“
    Sie lächelte ein wenig. „Das hab ich auch.“
    „Hast du es gelesen?“
    Sie nickte.
    „Dann weißt du wahrscheinlich, dass wir hier anfangen müssen, auf der ersten Seite, wenn wir die ganze Geschichte richtig verstehen wollen.“ Er blätterte zur Mitte des Buches. „Es wäre doch ziemlich dumm, wenn wir hier mit dem Lesenanfangen. Denn dann wissen wir nicht, was vorher geschehen ist, und

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