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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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umspielte ein spöttisches Lächeln, und seine Augen fixierten herausfordernd den Richter. »Ich sehe, daß Ihr Eure Gauklertruppe vergrößert habt«, höhnte er. »Womit gedenkt Ihr uns diesmal zu erheitern?«
    Konrad Diener ließ sich nicht provozieren und entgegnete mit der Ruhe eines Mannes, der um den Ausgang seiner Sache weiß:
    »Da Ihr Verstellung und Rätselspiel schätzt, habe ich mir besondere Mühe gegeben. Ihr werdet auf Eure Kosten kommen.«
    »Je eher Ihr anfangt, um so eher könnt Ihr verschwinden«, knurrte daraufhin Heinrich Pütrich.
    »Nun gut«, ging der Richter darauf ein, »beginnen wir mit Euch, und ich will’s kurz machen. Ich beschuldige Euch des Mordes an Jakob Krinner, des Mordes an Konrad Peitinger und dem Floßmann Leonhart Küchlmair sowie des Mordes am Schuster Füss und Eurem Pfaffen Gottschalk. Und Ihr habt Euch dabei der Zauberei und teuflischer Machenschaften bedient. Im Namen des Königs, des Rates der Stadt München und ihrer Bürger verhafte ich Euch, um Euch gerechter Strafe an Leib und Leben zuzuführen.«
    Einen Augenblick lang herrschte betroffenes Schweigen, dann lachte der Alte lauthals. Es klang rauh und gekünstelt. Darauf erwiderte er: »Mein Kaplan mag ja zuletzt verrückt gewesen sein, aber Ihr, Ihr müßt sieben Teufel in Euch beherbergen, sonst könntet Ihr nicht solchen Unsinn erzählen. Ich habe mit all diesen Morden nicht das geringste zu tun.«
    »Oh, das sehe ich anders«, antwortete der Richter gelassen. »Ihr habt den Krinner aus Rachsucht und gekränktem Stolz ermordet. Der Peitinger erpreßte Euch daraufhin und drohte zu reden. Dem Küchlmair wurde zum Verhängnis, daß er sich brüstete, den Täter gesehen zu haben. Beim Schuster war’s tödliche Eifersucht und Euren Pfaffen habt Ihr beseitigt, weil er Euch lästig oder gefährlich zu werden drohte. War es nicht so?«
    »Lügen!« zischte der Kaufmann. »Nichts als ein Haufen gemeiner, dummer Lügen!«
    »Erklärt mir das Gegenteil! Beweist mir Eure Unschuld!« forderte der Richter kühl.
    »Wie kann ich das?« fragte der alte Pütrich beinahe schon hilflos. »Ihr glaubt mir doch nicht, wenn ich Euch sage, daß dieser Krinner sich selbst gerichtet hat, daß ich nie mit dem Peitinger Händel hatte, daß ich alleine zu Hause war, als jemand diesen streitsüchtigen Flößer erschlug…«
    »… erstach«, korrigierte der Schreiber.
    »Meinetwegen. Da seht Ihr selbst, wie wenig ich mit diesen Dingen zu schaffen habe. Ich habe an meinem Kaplan bis zuletzt trotz gehöriger Mängel und Klagen von anderer Seite festgehalten, und es ist geradezu bösartig, wenn Ihr mir hinsichtlich des Schusters Eifersucht unterstellt. Ich hatte nie Grund, ihm gegenüber an der Treue meiner Frau zu zweifeln und hatte nicht den kleinsten Verdacht in dieser Richtung. Warum hätte ich ihn dann deshalb ermorden sollen und noch dazu auf so bestialische Weise?«
    »Das war nur der äußere Schein«, erklärte Diener ungerührt.
    »Glaubt Ihr denn wirklich, ich hätte auch nur die geringste Lust oder Absicht verspürt, diesem ungezügelten Flößerhaufen mit dem Tod des Schusters auch noch einen Gefallen zu tun und deren Rache zu besorgen? Haltet Ihr mich für so töricht?«
    »Ganz im Gegenteil«, versicherte der Richter. »Es war sehr schlau von Euch, weil Ihr damit den Verdacht auf sie abwälzen konntet.«
    »Nein, nein, nein!« krächzte der Alte mit einer Mischung aus Zorn und Verzweiflung, und seine Stimme überschlug sich dabei. »Wenn Ihr schon nicht meinen Worten glaubt, so laßt Euch doch wenigstens von meinem Körper überzeugen! Seht mich doch an! Ich bin alt und schwach und kränklich. Woher hätte ich die Kraft und Gewandtheit nehmen sollen, all dies zu tun, dessen Ihr mich beschuldigt?«
    »Ihr dürft gerne Eure Komplizen nennen«, forderte ihn Konrad Diener kaltlächelnd auf. »Außerdem verleihen Zauberei und der Bund mit dem Teufel auch dem Schwächsten ungeahnte Kräfte und lassen ihn erstaunliche Dinge vollbringen.«
    Pütrich richtete sich plötzlich auf und schrie: »Gott ist mein Zeuge, daß ich dies nicht getan habe. Ich habe nicht gemordet, niemals! Und ich bete darum, daß Er Euch strafen wird, wenn Ihr mich weiterhin wider besseres Wissen beschuldigt.« Danach sank er in sich zusammen, barg das Gesicht in den Händen, und man hörte ihn schluchzen. Alles Hochfahrende, Eitle und Selbstsichere schien mit einem Mal von ihm abgefallen zu sein.
    Die übrigen Familienmitglieder hielten sich auffallend zurück und

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