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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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wurde. Doch seid unbesorgt! Mein Schreiber wird mich vertreten. Die Entscheidung ist damit wohl klar.«
    Klar war auch, daß der Richter keine weitere Diskussion zuließ. Peter wußte selbst nicht, wo er den Mut dazu hernahm, wagte aber trotzdem nochmals einen Vorstoß. »Der Jakob, wo ist der denn? Können wir ihn sehen?«
    »Der Beschuldigte ist in Gewahrsam genommen worden«, erklärte der Richter. »Er wird in der Schergenstube bis morgen festgehalten, und ich wünsche nicht, daß man ihn besucht.«
    Kurz darauf standen die drei wieder auf der Straße.
    »Möchte nur wissen, was der Peitinger wieder gehetzt hat«, brummte der Zunftmeister, immer noch verärgert über die Verunglimpfung der Flößer. »Und das Großmaul Pütrich soll doch in Zukunft seinen Dreck mit der Kraxe oder im Ochsenkarren nach München schaffen! Wo wären sie denn, die feinen Herren, ohne uns! Täten sich schön anschau’n.«
    Paul hakte ihn unter und zog ihn mit sich fort. »Komm, Hiltpurger! Es ist nicht wert sich aufzuregen. Laß uns lieber zur Maenhartin zurückgehen. Was ist, Peter?«
    Der stand nachdenklich vor dem Portal des Richterhauses. »Geht ruhig schon vor. Ich will mir noch etwas die Beine vertreten.«
    Die seltsame Runde eben hatte ihn ernüchtert, aber auch verwirrt. Er wollte etwas allein sein, die Gedanken ordnen. Es war drückend heiß, aber die Sonne fiel schon schräg in die Gassen und tauchte einen Teil der Häuser bereits in wohltuenden Schatten. Nur wenige Leute waren unterwegs, ein paar spielende Kinder, streunende Katzen und kläffende Hunde. Ein Bettler schlurfte durch die Gassen um das Spital herum.
    Peter schlenderte zurück zum großen Marktplatz im Herzen der Stadt, der fast ausgestorben vor ihm lag. Die Stille war angenehm und zugleich seltsam ungewohnt, fast gespenstisch. Sogar die armen Sünder hatte man vor dem Feiertag aus Stock und Pranger befreit. Morgen würde ganz München und ein Gutteil Fremder hier wieder lärmen und feilschen, zerren und stoßen. Salzscheiben, Weinfässer und Getreidescheffel würden ihre Besitzer wechseln, die Mägde und Hausfrauen den Bedarf an Eiern und Schmalz, Hühnern und Fisch, Rüben und Kraut decken. Fuhrleute würden sich fluchend durch die Menge plagen und Gauner den Bürgern die Beutel schneiden.
    König Ludwig hatte keinen Zweifel daran gelassen, daß er München zu seiner Residenzstadt erkoren hatte, indem er gleich nach seinem triumphalen Einzug den Markt gefreit und dessen Verschönerung angeordnet hatte. Er hatte die Fleischbänke an den ehemaligen Stadtgraben unterhalb des Petersbergls verlegen lassen und für alle Zeiten ein Bauverbot auf dem Marktplatz verfügt, damit die drangvolle Enge nicht noch zunahm.
    Aber wer hatte denn eigentlich das Sagen in der Stadt? Ludwig, der sich schon viel um die Stadt verdient gemacht hatte, oder die Bürger, die sich immer mehr Rechte und Selbstverwaltung erstritten? Und auch die Bürgerschaft war ja beileibe nicht einer Meinung. Überhaupt waren die wenigsten tatsächlich Bürger, die Steuern zahlten und Wachdienst leisteten. Zunächst hatte nur der Rat der Zwölf geherrscht, die reichsten und angesehensten Bürger, zum Teil gar adelig, die in ihren Interessen noch zwischen Herzog und Stadt und natürlich ihrem eigenen Vorteil schwankten. Im Zuge der Erweiterung der Stadt mußten sie die Macht teilen mit einem Äußeren Rat, den vierundzwanzig vornehme Bürger bildeten. Und vor zwei Jahren hatten sie sogar noch die Kröte zu schlucken, daß nun auch die Gemeinde mit sechsunddreißig Räten mitbestimmen wollte, worunter sich auch Handwerker und weniger begüterte Bürger befanden. Doch Peter war noch zu kurz in der Stadt, als daß er die verschiedenen Einflüsse und Ränke, Interessen und Intrigen durchschaut hätte. Aber er wollte wachsam bleiben.
    Während er so unter den schattigen Lauben spazierte und vor sich hingrübelte, querten plötzlich zwei Männer eiligen Schritts den Marktplatz. Es waren Pütrich und Peitinger, der heftig auf den Kaufmann einredete. Peter graute es vor der morgigen Gerichtsverhandlung und vor der Tatsache, daß man auch ihn anhören wollte. Aber er war nun einmal Pfleger der Lände, und außerdem galt es als unumstößliche Pflicht, Mitbürgern und Nachbarn vor Gericht beizustehen. Wenn er wenigstens mit dem Jakob zuvor noch sprechen könnte. Was hatte es mit diesem angeblichen Mörder auf sich? Peter konnte doch nicht einfach losziehen, um irgendwo an der Isar nach irgend jemandem Ausschau zu

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