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Der Waechter

Der Waechter

Titel: Der Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Snyder
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mit Eva und Jenny, dass er mit Jenny nach Schulschluss zum Haus des Bundes fuhr. Eva hatte nach der fünften Stunde Schluss und würde vorausgehen. Außerdem war Ludwig in der Nähe. So würden sie stets mindestens zu dritt sein. Alles hätte nach Plan laufen können, wäre in der letzten Stunde nicht Stinke-Hauptmann und sein öder Geschichtsunterricht gewesen. Gerd, von Langeweile geplagt, hatte nichts Besseres zu tun, als mal wieder speichelgetränkte Papierkügelchen auf Jennys Rückseite zu spucken. Das Eklige daran war, dass sich einige in ihren Haaren verfingen und nicht einfach abprallten und zu Boden fielen. Irgendwann riss ihr dann der Geduldsfaden. In einem Moment, in dem Dr. Hauptmann der Klasse den Rücken zuwandte und etwas an die Tafel schrieb, nahm Jenny ihr Federmäppchen, drehte sich um und schleuderte es, ohne jede Anwendung von Überkräften, gekonnt auf Gerds Stirn. Gerd sah Jenny verdutzt an, brach aber schließlich in Gelächter aus. Wie die ganze Klasse. Ohne sich umzudrehen, sagte Stinke-Hauptmann gelassen: «Holzbrenner, Krastl: Nachsitzen. Alle beide. Zehn Minuten Pause. Dann wieder hier in gewohntem Outfit.»
    Scheiße, das hat mir grade noch gefehlt!
    Verärgert drehte sie sich wieder zu Gerd um und zeigte ihm den Mittelfinger. Wie hätte es anders sein können, als dass Hauptmann sich genau in diesem Moment zur Klasse umdrehte. «Krastl: dreißig Minuten obendrauf.»
    Gerd lachte sich kringelig. Warnend zog Hauptmann die Augenbraue hoch, woraufhin Gerd sofort verstummte.
    Super gemacht, Jenny!

    Konrad stöhnte.
    «Gut, dann warte ich hier und hock mich ein bisschen in die Sonne», sagte er brummend und setzte sich auf eine der unteren Stufen zum Pausenhof.
    «Vielleicht genügt ja auch Ludwig?»
    Jenny hatte ein schlechtes Gewissen. Wenn sie im Haus des Bundes war, konnte Konrad sich beruhigt schlafen legen. Auch wenn ein ausgereifter Seelenträger kaum Schlaf brauchte, hatte Konrad es gerade dringend nötig.
    Konrad schüttelte den Kopf.
    «Dafür schuldest du mir was», sagte er und grinste anzüglich.
    «Pft!», meinte Jenny und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Plötzlich schnellte Konrad nach oben und sah suchend über sie hinweg.
    Jenny drehte sich um.
    «Was ist?», fragte sie und suchte Konrads Blickrichtung ab.
    «Ach nichts. Ich war nur kurz irritiert», antwortete er.
    Jenny konnte einen kleinen Jungen hinter dem Betonpfeiler des Vordaches hervor kommen sehen. Er hob seinen Schulranzen vom Boden auf und balancierte ihn auf dem Oberschenkel, um ihn zuzumachen. Dann warf er ihn sich auf den Rücken und ging weiter. Konrad war wirklich sehr angespannt. Jede noch so kleine, verdeckte Bewegung ließ ihn mit dem Schlimmsten rechnen. Jenny streichelte kurz über seine Hand und steckte ihre dann schnell wieder zurück in die Hosentasche.
    «Ich geh dann mal rein», sagte sie. «Tut mir leid!»
    Als Jenny auf die Glastür am Eingang zuschritt, konnte sie darin Konrads Spiegelbild sehen, wie er hinter ihr ebenfalls Kurs auf das Schulgebäude nahm und dann zu dem Betonpfeiler abbog, hinter dem der Junge hervorgekommen war. Jenny konnte mehr als beruhigt sein. So gewissenhaft, wie Konrad war.

    Bis zum Nachsitzen hatte sie sich nicht vorstellen können, dass es etwas Langweiligeres gab als Stinke-Hauptmann und sein Geschichtsunterricht. Nun musste Jenny aber feststellen, dass Nachsitzen bei Stinke-Hauptmann in Geschichte etwa zwölfmal langweiliger war als der Geschichtsunterricht an sich. Gerd und Jenny hatten einen Buchabschnitt genannt bekommen, den sie zusammenfassen sollten. Gerds Abschnitt war natürlich kürzer als ihrer, ihn hatte es schließlich nicht ganz so hart getroffen.
    «Je eher du fertig bist, Krastl, umso schneller sind wir beide zu Hause», hatte Hauptmann gesagt, nachdem Gerd seine Arbeit abgegeben hatte.
    Jenny hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Sie las einen Satz nach dem anderen und konnte sich dann nicht mehr an den vorhergehenden erinnern. Ständig kehrten ihre Gedanken zu Konrad zurück. Wahrscheinlich war er schon im Sitzen eingeschlafen und streckte auf der Treppe zum Schulhof, wie ein schlummernder Kater, alle viere von sich. Sie schmunzelte bei dem Gedanken daran.
    «Scheint ja lustig zu sein, was du da liest.» Hauptmann entging nichts. «Da bin ich aber gespannt! Wenn die Zusammenfassung ausfällt wie deine Tests: dann gut Nacht!»
    Jenny versuchte, sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen. Sie saß in der zweiten Reihe und Hauptmann

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