Der Waechter
wissen, dass Jennys Bildung die sexuellen Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge von Jugendlichen betreffend, allein von den Veröffentlichungen des Dr. Sommer-Teams in der BRAVO herrührten. Immerhin war sie schon fünfzehn ein halb und konnte nichts dafür, dass sie bisher noch keinem Jungen begegnet war, mit dem sie ihr theoretisches Wissen in die Praxis hätte umsetzen wollen. Außer Rene natürlich. Und der war für sie unerreichbar.
Jenny ist angenehm warm. Der Mond schimmert durch dünne Wolken. Barfuß streift sie über eine feuchte Wiese. Sie ist in einer Gartenanlage, bleibt stehen und schaut sich um.
Wo bin ich? Was mach ich hier?
Auf einmal hört sie ein leises Wimmern neben sich, schnellt herum. Sie schaut auf den Rücken eines großen, fast übermenschlich kräftigen Mannes. Eine aufgeblähte, blasenartige Struktur umgibt ihn, eine wabernde, teils violette teils transparente Masse, durchzogen mit grauen Vibrationswellen. Langsam wie in Trance nähert Jenny sich ihm von hinten. Was liegt dort auf dem Boden vor ihm? Eine junge Frau! Aus dem Scheitel ihres Schädels steigt ein blass gelber Dampf empor und wird von der überdimensionalen Blase des Mannes angezogen wie von einem Sog. Es ist als atmet das Gebilde die Lebensenergie der Frau ein. Langsam, beständig, unerbittlich. Jenny erstarrt, unfähig sich zu bewegen. Sie muss etwas tun! Aus tiefster Seele schreit sie. So laut sie kann. Doch kein Laut entweicht ihrer Kehle. Aber ihr Körper gerät in Schwingung wie eine angeschlagene Stimmgabel und mit ihr breitet sich eine monströse Kraft aus. Leitet sich fort, bis die Äste der Bäume und Sträucher mitschwingen. Auch die schützende Blase des Mannes gerät in Bewegung. Irritiert schaut er auf, sieht sich prüfend um, lauscht in die Ferne. Hält schließlich schnüffelnd die Nase in die Höhe. Langsam dreht er sich um, blickt durch Jenny hindurch. Sie kann ihn durch die Blase nicht erkennen. Es ist, als trüge er eine dunkle Maske ohne Struktur. Sie schafft es nicht, ihre Augen zu manipulieren, um den Schleier einzudämmen. Ein Blick zu dem wimmernden Etwas auf dem Boden zeigt ihr, wie sich der dampfende Strom in die Frau zurückzieht. Jenny presst alle Kraft aus ihren Lungen über die Stimmbänder hinaus. Die Vibrationen verstärken sich und leiten sich wie eine Flutwelle fort. Alarmiert richtet der Mann sich auf, bläst seine Gestalt weiter auf, wirkt immer bedrohlicher. Dann tritt er ein paar Schritte zurück, sammelt so schnell, dass es kaum sichtbar wird, die Energieblase unter seinen Füßen, formiert sie blitzschnell zu einer Wasserstrahl ähnlichen Säule vom Boden zu den Fußsohlen, bis sie ihn hoch in die Luft schleudert. Jenny bemerkt einen leichten Rückstoß und schon kann sie ihn nicht mehr sehen. Panisch eilt sie zu der jungen Frau, versucht sie aufzurichten. Doch sie bekommt sie nicht zu fassen. Als würde sie in eine breiige Masse greifen. Die junge Frau kommt zu sich, rappelt sich auf. Doch sie ist so schwach, dass sie sofort wieder zusammenbricht. Jenny nimmt all ihre Kraft zusammen und versucht um Hilfe zu rufen, wodurch wieder heftige Vibrationen entstehen. Doch diesmal kann sie sie in eine bestimmte Richtung lenken. Als die Frau sich erneut aufrappelt, bündelt Jenny die Vibration in deren Rücken, um sie zu stützen. Wieder fällt die Frau zu Boden. Jenny schaut an sich hinunter und sieht sich als fast transparenten blass-rosafarbenen Dampfschleier.
Erschrocken schnellte Jenny hoch, hörte ihr Keuchen. Nach einem kurzen Moment der Orientierung knipste sie das Licht an und schlug die Bettdecke zurück, um ihre Füße gründlich zu untersuchen. Noch immer konnte sie das feuchte Gras unter ihnen spüren. Doch da war nichts. Keine Erde, kein Gras, keine Nässe, alles sauber und trocken.
Jenny ließ sich erleichtert in die Kissen zurückfallen und lachte nervös auf. Für eine Sekunde hatte sie daran gezweifelt, dass es nur ein Traum gewesen war.
Jenny fühlte sich jämmerlich. Aus unerfindlichen Gründen war ihr zum Weinen zumute. In der großen Pause setzte sie sich allein auf die halbhohe Mauer neben den Schulhoftreppen. Überraschenderweise war es Eva, die sich zu ihr gesellte. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, dann erzählte Jenny ihren Traum.
« Ich kann es nicht erklären, aber es bedrückt mich. Als hätte ich das alles wirklich erlebt. Ich habe es richtig gespürt, die feuchte Luft, die Vibrationen, die Druckwellen. Die Konzentration, die ich aufbringen
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