Der Waechter
Geschmack war. Er war mittelgroß und bullig, hatte einen fast kahl rasierten Schädel und einen grimmigen Gesichtsausdruck. Seinem Grinsen nach zu urteilen, hielt er sich für unwiderstehlich. Viel später am Abend war Nina nach draußen verschwunden und Jenny stand mit Eva und Karl am Rande der Tanzfläche und alberte rum. Sie hatte gerade ihr Trinkglas angesetzt, als jemand sie von hinten anrempelte und das Glas überschwappte. Genervt drehte sie sich um und blickte direkt in die kackgrünen Augen des Kahlschädels. Sein Grinsen offenbarte einen dicken, gelben Belag auf den Zähnen.
« Hey Schönheit, da sind wir ja ganz schön zusammen gebumst », sagte er zu Jennys Busen, wobei er das Wort gebumst anstößig betonte.
Oh Mann! Hau ab!
Jenny strafte ihn mit Ignoranz und er verzog sich wieder. Nach einer Weile machte sie sich auf die Suche nach Nina und fand sie in einer Ecke des Vorraums, wo sie wild mit einem Typen herumknutschte.
Wer ist das denn?
Schnell ging sie weiter .
Vor dem Vereinshaus hatten sich ein paar Partygäste zu Grüppchen formiert, aus deren Mitten Zigarettenqualm emporstieg. Jenny schaute sich suchend um, aber es war niemand darunter, den sie kannte. Als sie nach oben blickte, lachte ihr ein sternenklarer Nachthimmel entgegen, windstill und kühl. Langsam ging sie die Steintribüne zum Rasenplatz hinunter. Etwa in der Mitte des Platzes blieb sie stehen und drehte sich langsam um die eigene Achse. Die Musik aus dem Vereinsheim wehte gedämpft zu ihr. Jenny ging weiter und verließ auf der anderen Seite die Spielfläche, schlenderte die Baumreihen entlang. Die Nachtluft war angenehm kühl, tief atmete sie sie in sich ein. Plötzlich hörte sie ein leises Kichern und Tuscheln in den Büschen neben sich. Automatisch schaute sie hin und entdeckte hinter einem Baumstamm eine weibliche Gestalt. Nein, es war kein Baumstamm, sondern ein großer, breitschultriger Typ. Konrad! Er drehte sich zu Jenny um und bei ihm stand Yvonne!
Verlegen schaute Jenny weg und beschleunigte ihre Schritte. Hinter sich hörte sie Yvonne kichern.
« Rene ist nicht hier », rief sie Jenny in gewohnt dümmlicher Tonlage nach.
Das hat mir gerade noch gefehlt: Konrad beim Tete-a-Tete mit Schulmatrazen-Yvonne. Und ich mittendrin.
Ausgerechnet Yvonne, ihre Erzfeindin.
Die primitivste und hohlste Nuss überhaupt!
Im einen oder anderen Moment war Konrad ihr fast schon sympathisch geworden, aber nun hatte er es sich vollkommen und ganz und gar bei Jenny verschissen.
Inzwischen war sie auf Höhe der Spielfeldmitte, als sie in einiger Entfernung, eine männliche Gestalt in ihre Richtung kommen sah. Der Mann hatte den Kopf gesenkt und an seiner Wange stieg Zigarettenqualm empor. Es war der kahlschädelige Typ, der Jenny angestarrt und angerempelt hatte. Sein klobiger Gang und sein bulliges Erscheinungsbild waren unverkennbar.
Oh nein, auf blödes Geschwätz hab ich jetzt gar keine Lust!
Sofort schlug Jenny sich in die Büsche und verschwand zwischen den Bäumen. Sie würde warten, bis er an ihr vorbei gekommen war und sich dann hinter seinem Rücken zurück ins Vereinshaus schleichen. Eine Weile wartete sie, bis sie hinter einem Baum vorschaute.
Wo bleibt er denn?
Scheinbar war er wieder umgekehrt.
« Hey Kleines, da hast du ja ein schönes Plätzchen für uns ausgesucht. Kannst es wohl kaum abwarten, was? », dröhnte hinter ihr eine heisere Stimme.
Verdattert fuhr sie herum.
Scheiße! Der Kahlschädel!
Lasziv grinste er sie an. Der Schreck, der in Jenny gefahren war, schien ihn nur noch mehr in der Illusion zu bestärken, dass sie eine starke Männerhand benötigte. Ihre Ansichten darüber, wofür sie tatsächlich gerne eine gehabt hätte, gingen aber wahrscheinlich weit auseinander.
Selbstsicher und zielstrebig ging er weiter auf Jenny zu. Er war ein ganzes Stück größer als sie und ungefähr doppelt so breit. Da begriff sie, dass sie handeln musste. Er musste glauben, dass sie keine Angst hatte. Sie entspannte ihre Schultern und straffte das Rückgrat.
« Was soll das? Jungen Frauen beim Pinkeln aufzulauern? Hast du es so nötig? », blaffte sie ihn an.
Und es schien zu funktionieren. Für einen Moment fiel ihm das Grinsen aus dem Gesicht und er starrte Jenny verdattert an. Doch sein unübertroffen, selbstillusorisches Ego gewann sofort wieder die Oberhand.
Laut lachte er auf und fuchtelte mit dem erhobenen Zeigefinger, als schimpfe er ein kleines Kind aus. « Ha, ha. Beinahe hättest du mich reingelegt.
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