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Der Waechter

Der Waechter

Titel: Der Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Snyder
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Interaktion, welcher Art auch immer. Sie hatte weder Konrad noch Eva in den letzten Stunden gesehen, gehört oder gespürt. Wer wachte eigentlich jetzt über sie? Oder war sie sicher unter einer Menge Menschen? Es gab so vieles, das sie noch nicht verstand. Und irgendwie fühlte sie sich schrecklich allein gelassen. Scheinbar war es nötig, dass sie erst in Gefahr geriet, ehe sich jemand für sie interessierte. Das fehlte ihr gerade noch: Ihr gewohnt langweiliges Leben war vorbei, dafür war ihr neues einsam und verlassen.

    In der großen Pause schlich Jenny langsam umher, ohne sich einen festen Platz zu suchen. Sie knabberte an einem Schinkenbrötchen und trank einen Kakao dazu. Die großen Treppen des Schulhofs ignorierte sie. Sie ging in Richtung Fahrradständer, anschließend ein Stück Richtung Realschule, drehte vor dem Rauchereck wieder um und schlenderte dann mitten auf dem Schulhof zwischen den Schülergruppen umher. Ganz anders, als sie gedacht hatte, beachtete niemand sie. Jenny vermied es, hoch zu den Treppen an der Straße zu schauen. Irgendwann war sie wieder bei den Fahrradabstellplätzen gelandet und verdrückte sich dort in eine Ecke, von wo aus sie den Hof gut überblicken, man sie aber von den oberen Treppen nicht sehen konnte. Gekonnt zeichnete sie Kreise mit ihren Schuhspitzen auf den Boden, als sie einen Schatten auf sich zukommen sah.
    Konrad!
    « Hey », sagte er nur.
    Er sah mindestens genauso müde aus, wie sie sich fühlte.
    « Hey », antwortete sie, bemüht, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.
    Verunsichert schaute sie nach seinen Klassenkameraden und ging automatisch ein paar Schritte aus der Ecke heraus, um unnötige Spekulationen über heimliche Knutschereien zu vermeiden.
    « Alles gut? », fragte er sie leise.
    Plötzlich merkte Jenny, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Schnell sah sie zur Seite. Konrad suchte ihren Blick, aber sie konnte ihn jetzt unmöglich anschauen. Sie hätte angefangen zu flennen, was das Zeug hielt, so gut kannte sie sich. Sie atmete ein paar Mal tief durch.
    « So lala », sagte sie schließlich mit zittriger Stimme. « Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich hab so viele Fragen und verstehe rein gar nichts. »
    Konrad sah ihr fest in die Augen. Zwar konnte sie keine Regung aus seinem Gesicht ablesen, aber sie wusste, dass er sie verstand. Ob das an dem energetischen Band lag, das alle Fragmente miteinander verband? Vielleicht war das zwischen einem Wächter und seinem Schützling besonders stark.
    « Verwirrungen sind normal », sagte er gelassen. « Tief in dir drinnen, findest du alle Antworten. Aber vorerst tun es vielleicht auch die von Samuel. »
    Er grinste.
    Jenny tat es ihm gleich. Es hätte wenig Sinn gehabt, in Zeiten derartiger Verwirrung auf ihr Inneres zu lauschen.
    « Ich hatte vor, heute Mittag zu ihm zu gehen. Meinst du, das ist in Ordnung? »
    « Gut, dann treffen wir uns wieder vor der Schule nach der sechsten Stunde. » Er sagte es wie selbstverständlich und streckte den Kopf in Richtung Schulgebäude, als Aufforderung für sie, mit ihm reinzugehen.
    Wortlos folgte sie ihm.
    Ist ihm egal, was die anderen sagen?
    Es konnte ihm unmöglich entgangen sein, welche Lachsalven sie bei seinen Mitschülern auslöste, kaum dass sie in die Nähe von Rene kam. Für sie würde Jenny immer das kleine, verliebte Ding bleiben, das einen älteren Jungen anhimmelte und ihm heimlich peinliche Liebesbriefe zusteckte. Befürchtete Konrad denn gar nicht, dass man sich auch über ihn lustig machen würde, wenn er sich mit ihr abgab? Jenny mied die Blicke anderer, aber sie fühlte sich gut an Konrads Seite. Das änderte sich, als kurz vor dem Eingang Rene zu ihnen stieß. Freundschaftlich klopfte er Konrad auf die Schulter. « Hey Konrad, alles klar? », fragte er gespielt belanglos.
    Konrad nickte überzeugend.
    Die Konstellation Rene, Konrad und sie in einer Reihe, machte Jenny nervös. Sie traute sich nicht, Rene anzuschauen und ihn zu grüßen. Er hatte noch immer eine intensive Wirkung auf sie, auch wenn sie wusste, dass sie nicht mehr verliebt in ihn war. Sie wollte ihm trotzdem gefallen.
    « Hi Jenny », sagte Rene schließlich und lächelte sie mit einem spöttischen Schielen auf Konrad an.
    « Hallo », antwortete sie.
    Dann waren sie auch schon vor Renes und Konrads Klassenzimmer angekommen. Konrad nickte Jenny zum Abschied noch einmal zu, während Rene die Hand hob und ihr zuwinkte.
    « Ciao », sagte sie und ging

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