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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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zu sein. Er kenne Fanny schon seit ihrer Kindheit. Als man ihn bat, etwas über ihren gesellschaftlichen Stand zu sagen, erwiderte er, sie sei Erbin des Gutes Albion und somit Besitzerin eines beträchtlichen Vermögens. Fanny fragte, ob sie seiner Ansicht nach je in Geldschwierigkeiten gewesen sei, was er verneinte.
    Aufgefordert, ihren Charakter zu schildern, tat er das in schlichten Worten. Er erwiderte, sie führe ein zurückgezogenes Leben und sei ihrem Vater und ihrer Tante treu ergeben gewesen. Dann erkundigte sich Fanny, weshalb sie ausgerechnet nach Bath gefahren sei. Der Vikar erläuterte dem Gericht, er selbst habe die Reise mit den Grockletons veranlasst, da Fanny dringend Luftveränderung gebraucht habe. Seiner Ansicht nach habe sie zu viel Zeit mit zwei alten Leuten in der Abgeschiedenheit von Haus Albion verbracht.
    »Wie würden Sie meinen damaligen Gemütszustand beschreiben?«
    »Melancholisch, antriebslos und zerstreut.«
    »Hat es Sie erstaunt zu hören, dass ich eines Diebstahls beschuldigt werde?«
    »Ich war wie vom Donner gerührt und traute meinen Ohren nicht.«
    »Warum?«
    »Da ich sie sehr gut kenne und es mir deshalb unvorstellbar ist, dass sie etwas stehlen könnte.«
    »Ich habe keine weiteren Fragen.«
    Der Anklagevertreter sprang auf und näherte sich dem Vikar. »Sagen Sie, Sir, haben Sie der Angeklagten geglaubt, als sie behauptete, ein Stück Spitze gestohlen zu haben?«
    »Aber sicher. Soweit ich weiß, hat sie ihr Lebtag nicht gelogen.«
    »Also ist sie schuldig. Keine weiteren Fragen.«
    Der Richter sah Fanny an. Nun lag alles nur noch an ihr.
    »Darf ich ein paar Worte in meiner Sache sprechen, Euer Ehren?«
    »Sie dürfen.«
    Fanny neigte den Kopf und wandte sich an die Geschworenen. Es waren hauptsächlich Kaufleute, ein paar Bauern, ein Beamter und zwei Handwerker. Sie hatten Verständnis für die Lage des Ladenbesitzers, bedauerten die junge Dame zwar, hielten sie aber eindeutig für eine Verbrecherin.
    »Meine Herren Geschworenen«, begann Fanny. »Gewiss hat es Sie überrascht, dass ich den gegen mich vorgebrachten Beweisen nicht widersprochen habe.« Die Geschworenen antworteten zwar nicht, doch es stand ihnen ins Gesicht geschrieben. »Ich habe nicht einmal eingewendet, der Verkäuferin könnte ein Irrtum unterlaufen sein.« Kurz hielt sie inne. »Warum sollte ich das tun? Diese guten und anständigen Leute haben Ihnen das geschildert, was sie gesehen haben. Warum sollte man ihnen misstrauen? Ich jedenfalls glaube ihnen.«
    Fanny sah die Geschworenen an, und diese erwiderten ihren Blick. Die Männer wussten nicht, worauf sie hinauswollte, aber sie lauschten aufmerksam.
    »Meine Herren Geschworenen, ich möchte Sie nun bitten, die Hintergründe zu überdenken. Sie haben von Mr. Gilpin, einem höchst angesehenen Geistlichen, gehört, dass ich einen einwandfreien Leumund besitze und noch nie im Leben etwas gestohlen habe. Außerdem haben Sie erfahren, dass ich vermögend bin. Selbst wenn ich verbrecherische Neigungen hätte, was sich, weiß Gott, nicht so verhält, gibt es keinen vernünftigen Grund, warum ich das Stück Spitze nicht hätte bezahlen sollen. Ich bin wohlhabend. Es macht keinen Sinn.« Wieder hielt sie inne, damit sich diese Feststellung setzen konnte.
    »Nun möchte ich Sie bitten, sich an die Aussagen zu erinnern, die mein Verhalten betreffen, als man mich vor dem Laden stellte. Offenbar habe ich geschwiegen. Ich habe kein Wort von mir gegeben. Und warum?« Sie blickte jeden Einzelnen von ihnen an. »Meine Herren, mir hatte es vor Schreck die Sprache verschlagen. Ehrliche Menschen warfen mir vor, ein Stück Spitze gestohlen zu haben. Der Beweis lag vor meinen Augen. Ich konnte es nicht leugnen. Ich nahm nicht an, dass sie logen. Es war die Wahrheit. Ich hatte die Spitze eingesteckt. Und dazu stehe ich auch heute noch. Dennoch war ich so verblüfft, dass ich kein Wort mehr herausbrachte. Und ich muss Ihnen offen gestehen, dass ich mir diese Tat bis heute nicht erklären kann. Ich bitte Sie, mir zu glauben, dass ich nicht wusste, was ich tat. Ich streite nicht ab, meine Herren, dass sich das Stück Spitze in meiner Tasche befand. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie es dorthin gekommen ist. Noch nie im Leben bin ich so verdattert gewesen.« Sie sah den Richter an und wandte sich dann wieder an die Geschworenen.
    »Woran kann das liegen? Ich weiß es nicht. Mr. Gilpin hat Recht, wenn er erklärt, dass ich damals ziemlich verwirrt war. Ich erinnere mich noch,

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