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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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anderen unzumutbar schien, nämlich wenig Freizeit zu haben, stieß bei Thorvald auf Unverständnis. »Freizeit? Frei von was? Was soll ich denn da machen?«
    Manchmal konnte Thorvald es selbst kaum glauben, dass er immer noch gern angelte. Wie viele Forellen, Elritzen oder Äschen hatte er als kleiner Junge mit Benno oder allein aus dem See und den vielen Bächen geholt und wie dankbar waren sie entgegengenommen worden. Roman hatte sie meistens zubereitet, über dem offenen Feuer oben bei der Hütte. Auch wenn es das kleinste Fischchen war, es war immer wieder ein Festmahl.
    »Ein Gourmet isst alles. Es muss nur gut zubereitet sein«, hatte er dann immer gesagt.
    »Ich muss mir dringend eine elektrische Kühlbox fürs Auto anschaffen«, lachte Thorvald.
    »Tu das, aber bevor du abreist, kommst du zu mir und ich koche für dich. Ich habe zusammen mit Luis ein wunderbares Rezept für Doraden kreiert, das musst du probieren.« Roman senkte den Kopf und schaute ihn mit mahnendem Blick an. »Bring Olga mit.«
    »Das mache ich gerne. Wenn sie Lust hat.«
    »Vorhin am Telefon klang sie so bedrückt. Ich mache mir Sorgen um sie.« Es war das erste Mal, dass Roman so etwas sagte. Bisher hatte er sich auf Olga und ihren Seelenzustand verlassen können. Sie war von stabiler Natur, bodenständig, pragmatisch und pendelte sich nach Rückschlägen überraschend schnell wieder in ihren vergnügtstabilen Grundzustand ein. Es gab für Roman und Winnie nie Anlass zur Sorge, ihre Tochter könnte irgendwie auf die schiefe Bahn geraten.
    »Dann rede mit ihr. Ich glaube, sie braucht ein wenig Rückhalt, nach allem, was hier passiert ist.« Thorvald neigte den Kopf. »Und den kann sie von dir am besten bekommen.«
    »Ich sag doch, bring sie mit. Ich hätte euch gern beide da.« Roman seufzte schwer. »Habt ihr irgendetwas über Hanna in Erfahrung bringen können? Ich habe mit Luis geredet, aber er hat auch keine Informationen. Ich kann mit einem Kollegen die Vertretung in ihrer Praxis übernehmen. Aber nur für kurze Zeit.«
    »Wir wissen nichts«, entgegnete Thorvald. Dass Ines, wie auch immer, an Informationen kam, behielt er für sich. Sie hätten Roman nur noch mehr beunruhigt. Wichtig war, dass Hannas Praxis weiterlaufen konnte.
    »Aber der Mord hat doch mit dem Klassentreffen zu tun?«, fragte Roman. »Sagt man jedenfalls.«
    »Sagt man das?« Thorvald machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich bin da anderer Meinung.«
    »Wieso?«
    Thorvald hob die Schultern. »Weiß nicht. Olga sieht das auch so.« Er sah Roman an.
    »Es sind nicht die ehemaligen Schüler. Ich glaube fast, der Mörder kommt von hier. Aus dem Wald. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass die ganze Geschichte noch nicht vorbei ist.«
    In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen. Ein zierlicher jungenhafter Mann betrat den Raum und suchte mit flinken Augen die Tische ab. Thorvald hatte ihn längst erkannt, weil er mit dem Blick zur Tür saß, doch er rührte sich nicht. Amüsiert wartete er ab, und es dauerte keine fünf Sekunden, da kam der Mann mit fliegenden Schritten auf die beiden zu. Ohne weitere Umschweife kam er zur Sache.
    »Thorvald, wenn du mir nicht hilfst, bin ich verloren. Dass du hier bist, ist mehr als die Macht des Schicksals. Bestimmt habe ich deshalb sogar meinen Erik verloren, weil eigentlich
du
ihn singen solltest! Wenigstens bei der Premiere.«
    Thorvald schüttelte verwirrt den Kopf. Er ahnte lediglich, was ihm bevorstand. »Was soll das heißen: ›Ich habe meinen Erik verloren‹?«
    »Verloren ist gut. Der Mann ist mit seinem Auto von der Straße abgekommen und hat sich überschlagen. Hat die Bergischen Kurven unterschätzt. Jetzt läuft er mit Halskrause herum und   …«, er schlug resigniert mit der Hand ins Leere, »ich werde noch verrückt. Erst ist Senta umbesetzt worden, jetzt macht dieser Schwachkopf einen Stunt und ich stehe da.«
    »Wann ist Premiere?«
    »Am Sonntag«, stöhnte Reuther.
    »In vier Tagen also«, murmelte Thorvald langsam.Reuther starrte Thorvald an. Dieser lehnte sich zurück und sah sich im »Luis« um, als würde er schon wieder an etwas ganz anderes denken. Dabei lief in Sekundenschnelle vor seinem inneren Auge ab, was auf ihn zukommen würde. Den Erik hatte er schon oft gegeben, das letzte Mal vor drei Monaten, die Partie war also präsent. Vier Tage! Aber er hatte sich gerade intensiv mit dem Liedgesang beschäftigt. Vier Tage! Allerdings konnte er hier draußen sowieso nicht konzentriert arbeiten. Er

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