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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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unseren Toten ein paar Worte auf ihren letzten Weg mitzugeben, und möchte dies mit einem Zitat aus dem Zweiten Brief des Paulus an Timotheus tun. Da heißt es im Kapitel 4, Vers 5 folgende:
    „die Zeit meines Abschieds ist gekommen. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten;
    hinfort steht für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage geben wird, nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben.«
    Taggart blickte auf und sah, dass seine Worte richtig verstanden worden waren. Er wusste, dass andere, besonders die Priester, an dieser Stelle zu einer umfangreichen Interpretation der Zeilen anheben würden, doch das war seine Sache nicht. Er hatte den Toten attestiert, dass sie einen guten Kampf gekämpft hatten, und das stimmte auch so. Ihr Lebenslauf war jetzt vollendet, und sie würden die Krone der Gerechtigkeit erhalten. Das mochte genügen. »Lasset uns beten!
    »Our Father who art in heaven,
    hallowed be Thy name,
    Thy kingdom come,
    Thy will be done on earth as it is in heaven.
    Give us this day our daily bread,
    and forgive us our tres passes
    as weforgive those who trespassagainst us ...«
    Als ihm das »Amen« der Versammelten entgegenscholl, atmete er insgeheim auf.
    »Die Zeremonie möge beginnen.« Jetzt waren andere dran. Die Musikanten, die Ehrengarde, John Fox, der seine Befehle brüllte, die sechs Totenträger, mit deren Hilfe die sterblichen Überreste der Gefallenen auf eine Gräting gelegt wurden, von wo aus man sie, unter der englischen Fahne hinabgleitend, dem Meer übergab. Endlich war alles vorbei, die siebenundvierzig Toten ruhten, mit einer Kanonenkugel am Bein, am Grund des Meers, und man konnte wieder zum normalen Dienst übergehen.
    Plötzlich schob sich Baldwin an seine Seite: »Sir Hippolyte, auf ein Wort.« Er war ein kleiner Mann mit bemerkenswert großem Kopf und wiehernder Lache, die er oft und gern zu Gehör brachte. Noch allerdings war seine Miene dem Anlass entsprechend.
    »Was gibt's?« Taggarts Erleichterung schlug in leichte Verärgerung um. Der Kerl hatte ihn beim Vornamen genannt. Immerhin, es gab Schlimmere als Gideon Baldwin. Dafür, dass er Kauffahrer und kein Krieger war, hatte er sich tapfer verhalten.
    »Nun, Sir Hippo...«
    »Nicht so förmlich, alter Junge. Sagt einfach
    »Taggart«, wir sind schließlich unter uns.«
    »Gut gebrüllt, Löwe!« Baldwin lachte lauthals. Taggart tat es fast Leid, den Mann unterbrochen zu haben, zumal der Kaufmann ihn jetzt vertraulich am Ärmel packte.
    »Ich möchte Euch einladen, Taggart! Als Dank dafür, dass Ihr uns so spontan zu Hilfe geeilt seid. Kommt mit Euren Offizieren und von mir aus auch mit dem Zwerg. Richard Catfield von der Argonaut hat ebenfalls schon zugesagt, er ist dort leider der einzige überlebende Offizier.«
    »Ich weiß nicht recht ...«
    »Kommt,
    Taggart!«
    Baldwin
    knuffte
    dem
    Kommandanten auffordernd in die Seite. »Ich habe ein paar exzellente Weine im Bauch meines Schiffs versteckt.«
    »Zufällig auch deutschen Rheinwein?«
    »Zufällig auch den.« Das gab den Ausschlag.
    Vitus konnte den Blick nicht von Lady Arlette lassen. Sie trug an diesem Abend ein Kleid, das der neuesten höfischen Mode entsprach. Es war von taubenblauer Farbe, hatte weite, bauschige Ärmel und eine tief herabgezogene, verführerisch enge Korsage. Der Rock war ausladend und spannte sich anmutig über einem Gestell von Fischbein. Dazu hatte sie eine Kette aus roten Korallen um den Hals gelegt und einen Granat über den behandschuhten rechten Mittelfinger gestreift. Sie saß ihm direkt gegenüber und unterhielt sich auf das Lebhafteste mit Catfield, der an Baldwins Tafel zu ihrem Tischherrn erkoren worden war. Überhaupt waren alle Anwesenden bester Laune. Nach anfänglicher Steifheit hatte sich zunehmend gute Stimmung breit gemacht, was nicht zuletzt an dem hervorragenden Essen und dem reichlich fließenden Rheinwein lag.
    »Die Dons sind auch keine besseren Navigatoren als wir«, frotzelte John Fox gerade, während er sich ein Stück Plum-pudding in den Mund schaufelte, »oder laufen sie etwa freiwillig ständig auf die Riffe in der Karibik?«
    »Das nicht gerade«, hielt der Magister grinsend dagegen, »aber sie gönnen euch die Schätze einfach nicht. Ehe ihr sie bekommt, vergolden sie lieber die Fische.«
    »Das ist gut!«, wieherte Baldwin. »Die Fische vergolden!«
    Er verschluckte sich, keuchte

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