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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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mal dran!«, rief er, holte tief Luft und spuckte den Kern mit aller Kraft in Richtung Kessel. Die Kugel prallte eine gute Armlänge entfernt gegen eine Wand und sprang zurück. Wieder landete sie in unmittelbarer Nähe von Martinez. Die drei Burschen zögerten. Keiner hatte den Mut, den aus seinem heilen Auge finster dreinblickenden Martinez nochmals zu stören. Stattdessen zog einer der beiden Kleineren ein knuspriges Stück Fladenbrot aus der Hose und wollte hineinbeißen. Da kam Martinez die Idee. »Halt!«, rief er. »Worum spielt ihr Burschen?« Noch immer zögerten die drei. Doch der Kleinste, der mit dem Brot, fasste sich ein Herz. »Wir spielen Kirschkernspucken, Senor. Wer den Kessel als Erster trifft, hat gewonnen.«
    Martinez, der sich genau das gedacht hatte, setzte nach:
    »Und was erhält der Sieger?«
    »Der Sieger? Äh, nichts ...«
    »Nichts?«
    »Wir haben ja nichts, Senor!«
    »Da habt ihr Recht.« Martinez war die Gleichgültigkeit selbst. »Doch wie ich sehe, habt ihr immerhin ein Brot. Das ist zwar nichts Besonderes, aber besser als gar nichts.«
    Er schnippte mit den Fingern, als käme ihm plötzlich eine großartiger Einfall. »Ich sag euch was: Das Brot ist mein, wenn es mir gelingt, von hier den Kessel zu treffen.«
    Die drei knufften sich verstohlen in die Seite und grinsten schief. Es war offensichtlich, dass sie Martinez für einen Aufschneider hielten. »Und was bekommen wir, wenn Ihr es nicht schafft?«, fragte der Große listig. Martinez hielt seinen Dolch ins Licht, sodass die fein ziselierte Klinge in der Sonne blitzte. »Diesen Dolch, den mir Seine Majestät König Philipp II. für besondere Tapferkeit persönlich überreichte.«
    »Oh, ist der schön!«, staunte der Große. Seine Augen leuchteten begehrlich.

»Und König Philipp hat Euch den persönlich geschenkt?«, fragten die beiden anderen.
    »So wahr ich hier stehe!« Martinez wollte versuchen, noch ein wenig mehr herauszuholen. Er tat, als zögere er.
    »Natürlich ist der Dolch hundertmal mehr wert als euer Brot, eigentlich sollte ich das Spiel nicht mitmachen ...«
    »Ich habe noch eine Silbermünze«, sagte der Große schnell. Entschlossen holte er eine stark angelaufene, kleine Münze aus der Tasche. Der Himmel mochte wissen, wo er sie herhatte.
    »Zeig mal.« Martinez nahm das Geldstück und rieb damit kräftig an der Mauer. Die aufgekratzte Stelle blinkte hell und silbern.
    »In Ordnung«, nickte er. »Meinen Dolch gegen diese Münze und das Brot.«
    »Abgemacht, Senior!«, rief der Große schnell. Die Vorfreude auf den Dolch stand ihm ins Gesicht geschrieben. Martinez ließ sich den Kirschkern geben und musterte ihn kurz, dann schob er ihn sich in den Mund, nahm sorgfältig Maß und schickte mit einem schmatzenden Laut die Kugel auf die Reise. Der Kirschkern traf den Kessel genau in der Mitte.
    »Ihr habt das Brot und die Münze gewonnen, Senor!«
    Der große Bursche war tief enttäuscht. »Ihr hättet uns sagen müssen, dass Ihr ein Meister im Spucken seid.«
    »So, hätte ich das?«, fragte Martinez ironisch.
    »Noch nie habe ich jemanden gesehen, der so zielsicher spucken kann!«, seufzte einer der beiden Kleineren.
    »Ich auch nicht!«, warf unverhofft eine weibliche Stimme ein. Sie kam von der anderen Flussseite. Martinez fuhr herum und starrte in das harte Gesicht einer Frau, die aus einem Rundbogenfenster des maurischen Hauses herüberschaute. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie hatte rabenschwarzes Haar, doch hier und da zeigte sich bereits eine graue Strähne. Die Frau war keine zwanzig mehr, so viel stand fest, allerdings war sie auch noch keine fünfunddreißig, dafür war ihre Haut zu jugendlich glatt. Zwischen ihren schmalen Lippen hielt sie eine Haarnadel, während sie sich geschickt einen Knoten aufsteckte.
    »Ich bin Elvira, die Besitzerin dieses Bordells. Vielleicht hätte ich eine Verwendung für dich.«
    Sie überprüfte ihre Frisur in einem kostbaren Handspiegel.
    »Du müsstest allerdings zu mir herüberkommen.«
    Das ließ sich Martinez nicht zweimal sagen. »Bin schon unterwegs!«, rief er, nahm, was jetzt ihm gehörte, und stürmte eiligen Schritts zum maurischen Haus hinüber. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang er im Innenhof die Treppe zum oberen Stockwerk hinauf. Oben angekommen eilte er auf die Bordellbesitzerin zu, doch Elvira riss ihre Hand hoch. Martinez blickte auf spitze, mit Henna gefärbte Fingernägel. »Nicht so stürmisch, mein Freund. Ich bin nicht im Dienst, und

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