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Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)

Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica O'Rourke
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heute.
    Verity hätte Jill die Stirn geboten. Sie hätte sich nicht hinter einem Busch versteckt und zugelassen, dass eine gehässige Treuhänderfonds-Schlampe, eine Paris Hilton in der Ausbildung, über ihre Familie und ihre Freundin herzog. Aber wieder einmal hatte ich versagt. Ich konnte nicht wie Verity sein. Ich konnte ihr noch nicht einmal nahekommen.
    Ich warf einen Blick auf den Ring, auf das weiße, sonnengleiche Aufblitzen, das immer dann über die tiefblaue Oberfläche huschte, wenn das Licht einer Straßenlaterne darauf fiel. Er passte mir perfekt. Vielleicht war das der Grund, warum Verity ihn nicht getragen hatte. Um ihn sicher aufzubewahren, bis sie die Größe anpassen lassen konnte. Wer wusste schon, weshalb sie in diesen letzten paar Monaten dieses oder jenes getan hatte? Ich nicht, so viel stand fest.
    Zumindest war die Nacht schön: Die Luft fühlte sich auf meiner überhitzten Haut kühl an. Der Mond war beinahe voll und strahlend weiß. In diesem Viertel gab es lauter große, elegante Häuser, alte Bäume und zahlreiche Straßenlaternen. Ich konnte eine Weile spazieren gehen, bis ich wieder einen klaren Kopf hatte, dann umkehren und beim Auto auf Lena warten.
    Die Temperatur fiel ab, während ich über die gut beleuchteten Bürgersteige spazierte. Ich erschauerte leicht in der Brise, wünschte mir, ich hätte einen Pullover dabeigehabt, und ging über die Straße in einen kleinen Park. Dort gab es ein Baseballfeld, eine Tribüne und einen Spielplatz mit metallenen Rutschen, Schaukeln und geodätischer Kuppel. Ich wühlte in meiner Handtasche nach meinem Handy und hielt nach einem Straßenschild Ausschau. Ich könnte Lena anrufen. Sie würde mich abholen, wenn ich herausbekommen konnte, wo ich war.
    Oder ich könnte Colin anrufen. Er würde mich unter allen Umständen finden. Allerdings war es bei Lena unwahrscheinlicher, dass sie mich anschreien würde.
    Die Brise frischte auf, und das Mondlicht ließ das Klettergerüst ein rautenförmiges Schattenmuster auf die Sägespäne darunter werfen. Die Schaukeln stießen sanft gegeneinander, und die Ketten klirrten. Es kam mir wie eine gute Idee vor, mich hinzusetzen, und so ging ich zu einer Drehscheibe aus Metall hinüber, nur, um mit dem Absatz an der Bordsteinkante hängen zu bleiben; mein Knöchel verdrehte sich mit einem schnellen, schmerzhaften Ruck unter mir. Perfekt.
    Ich humpelte hinüber, ließ mich fallen und lehnte den Kopf an die metallene Griffstange. Der Schmerz in meinem Knöchel verblasste zu einem dumpfen Pochen, und ich massierte ihn, während ich meinen anderen Fuß fest auf dem Boden stehen ließ. Meine Schuhe– schwarze Sandalen mit spitzem Absatz– waren wahrscheinlich nicht die besten für eine eilige Flucht im Suff. Wenn meine Mutter hier gewesen wäre, hätte sie irgendeine fromme Bemerkung über die Gefahren der Eitelkeit gemacht. Unmittelbar nachdem sie mich erwürgt hätte…
    Das schwebende Gefühl, das der Cosmopolitan erzeugte, konnte nicht ganz die schwere Bürde vergessen machen, die Jills Worte mir aufgeladen hatten. Ich hatte zwar schon Gerüchte über Onkel Billy gehört, aber nie so unverblümt formulierte. Nie über mich. Selbst das Wissen, dass Veritys Tod nichts mit uns zu tun hatte– Luc hatte sehr deutlich gemacht, dass keine Verbindung bestand, und er schien darauf erpicht zu sein, daran auch ja nichts zu ändern–, minderte nicht das Entsetzen und den Zorn, die meinen Körper durchströmten.
    Wenn die Schule wieder anfing, würde ich mich ganzen Klassenzimmern voller Leute stellen müssen, die glaubten, ich wäre der Grund dafür, dass Verity tot war. Angesichts dieser Erkenntnis drehte sich mir der Magen um. All die Blicke, die auf mir ruhten und die Wahrheit nicht kannten, mich aber dennoch verurteilten. Wenn ich bisher schon eine Außenseiterin gewesen war, war das nichts im Vergleich zu dem, was mir im letzten Schuljahr blühen würde.
    Plötzlich wurde der gesamte Park schwarz und kalt. Ich stand genau in dem Augenblick auf, als die Drehscheibe herumzuwirbeln begann und mich mit dem Gesicht voran in die Sägespäne stürzen ließ.
    Ich ignorierte meinen Knöchel, rappelte mich auf, klopfte mir die Sägespäne ab und sah zum Himmel empor. Der Mond kam kurz in Sicht und verschwand, als etwas Ledriges davorhuschte.
    Ich schrie.
    Die schwarze Gestalt sauste auf mich zu. Ich rannte auf die Häuser auf der anderen Straßenseite zu, aber mein schmerzender Knöchel behinderte mich.
    Der Angreifer sprang,

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