Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
schmerzlich. Hatte Verity das getan? Ich konnte mir die beiden vorstellen, wie sie die Köpfe zusammensteckten, ihrer strahlend hell und seiner so dunkel, dass er das Licht zu absorbieren schien. Hatten sie miteinander geschlafen? Ich schüttelte den Kopf, um das Bild daran zu hindern, sich scharfzustellen.
» So war das nicht zwischen uns«, sagte er und durchbrach damit die Stille. » Zwischen Vee und mir.«
Konnte er jetzt Gedanken lesen? Magie war bescheuert. Selbst wenn sie nicht miteinander geschlafen hatten, ließ sich nicht leugnen, dass sie irgendeine Verbindung hatten. Das war deutlich an Veritys Gesichtsausdruck auf ihren Fotos aus New Orleans abzulesen; es tönte auch wie eine Glocke, wann immer er über sie sprach. Nur ein Idiot hätte das übersehen. Nur ein Dummkopf hätte versucht, da mitzuhalten. » Aber sie hat dir doch etwas bedeutet.«
Ein langsames, vorsichtiges Nicken. » Ja.«
» Du vermisst sie.« Es war, wie auf einen blauen Fleck zu drücken, um zu sehen, wie sehr er wehtat.
» Ja.« Die Antwort: Es tat beschissen weh.
» Du hast gesagt…« Mir schnürte sich die Kehle zu. » Du hast gesagt, du hättest sie gebraucht.«
» Ich bin nicht der Einzige, der das gesagt hat.«
Er kam einen Schritt näher, vorsichtig, als ob ich flüchten würde, wenn er sich zu schnell bewegte. Eines musste man Luc lassen: Er verstand sich auf Frauen.
» Es hat dir gefallen. Mich zu küssen.«
Ich zog den Kopf ein. » Darum geht es nicht.«
» Es hat dir gefallen, mir auch, und das ist doch etwas. Das zählt.«
» Nicht genug«, flüsterte ich. Zu viel, und zugleich nicht genug, und es ließ mir das Herz brechen, wie unfair das alles war. Ich konnte es in mir spüren, ein neuer Schmerz, der sich zu dem alten drängte. Luc ergriff meine Hand, verschränkte unsere Finger.
» Also sollen wir dagegen ankämpfen? Herrgott, haben wir nicht schon genug Ärger? Willst du alles noch schwieriger machen?«
» Es war ein Fehler«, wiederholte ich zitternd. » Bitte, Luc. Können wir nicht einfach dazu zurückkehren, wie es vorher war?«
» Nein. Und das würde ich auch nicht wollen, Mouse, selbst wenn wir es könnten. Denk später daran.« Er blickte einen Moment lang bedauernd drein. » Küsse ändern alles. Darum kommt man nicht herum.«
Ich zog die Hand weg, und er nickte langsam. » Ich bringe dich nach Hause. Aber glaub ja nicht, dass wir schon fertig sind. Ich sage es dir noch einmal: Es hat keinen Zweck, gegen das Schicksal anzukämpfen.«
» Willst du etwa sagen, dass das hier Schicksal ist?«
Er grinste mich an, auf die Art, wie er es immer tat, wenn er mehr wusste als ich. » Willst du etwa sagen, das wäre es nicht?«
Kapitel 19
Als Luc mich zurück in die Schule brachte, sagte er nicht mehr als: » À bientôt.« Bevor ich antworten konnte, hauchte er mir einen leichten Kuss auf die Wange, drehte sich um und verschwand.
Ich stapfte zurück nach oben und kämpfte gegen die Tränen an. Ich musste Luc vieles glauben– die Sturzflut, die Düsterlinge, seine Fähigkeit, mich sicher durchs Dazwischen zu bringen–, und jetzt wurde das alles plötzlich unwichtig. Was ich am dringendsten glauben musste, war, dass er und Verity einander nicht geliebt hatten. Ich konnte sie nicht verraten, indem ich mich in ihn verliebte, und ich konnte sonst auch seinen Gefühlen für mich nicht trauen. Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich Veritys Platz in der Prophezeiung einnehmen würde, aber ich war verdammt noch mal nicht daran interessiert, ihren Platz bei Luc einzunehmen.
Ich war höchstens anderthalb Stunden weg gewesen, aber es fühlte sich an wie die ganze Nacht. Dennoch stand es mir bevor, Ms. C. meine Abwesenheit erklären zu müssen. Lena muss allerdings Wache gehalten haben, denn sie kam aus dem Raum geschossen, sobald sie mich entdeckte.
» Wo hast du gesteckt? Ich bin losgezogen, um nach dir zu suchen, und…« Sie brach ab. » Geht’s dir gut?«
Ich sah nach unten und warf betont einen Blick auf die Armbanduhr. » Ich habe die Zeit vergessen«, sagte ich und bastelte mir im Kopf hektisch eine Geschichte zurecht. » Ich bin nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen, und zufällig dem Typen von der Party begegnet. Er ist bloß ein Junge, nicht mein Freund. Er kannte Verity.«
Sie sah mich misstrauisch an. » Aus diesem Sommer? Ist sie mit jemandem gegangen, bevor sie abgereist ist?«
» Nein. Sie hat ihn da unten kennengelernt. Aber erzähl nichts davon herum. Ich glaube
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