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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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Lamm?«
    Meyer nickte in einer Art, die durchaus auf eine Verwandtschaft mit Schafen schließen ließ.
    Aus einer kleinen Hütte im Käfig lugte ein Mäusekopf heraus. Das Tier schnupperte kurz in der Luft herum, dann zog es sich wieder zurück.
    »Es sind zwei Mäuse«, sagte Schilling, die Meyers Blick gefolgt war. »Sie heißen Fleisch und Wurst und gehören eigentlich meinen Söhnen. Kindlicher Humor eben. Aber einer von meinen Rackern ist allergisch, und darum leben sie jetzt hier im Präsidium. Die Mäuse, nicht die Söhne. Was wollte ich sagen?«
    Meyer starrte sie entgeistert an und zuckte die Achseln.
    »Genau. Ich war also neulich beim Tierarzt, um sie untersuchen zu lassen. Wir wollen ja nicht, dass hier jemand krank wird, und da wurden Fleisch und Wurst gewogen.«
    Sie legte eine Kunstpause ein.
    »Wissen Sie was? Beide wiegen genau einundzwanzig Gramm! Toll, oder?«
    Meyer starrte.
    »Angeblich verliert ein Mensch im Augenblick des Todes genau dieses Gewicht. Irgendein Wissenschaftler hat das mal gemessen. Keine Ahnung, wie. Genau einundzwanzig Gramm. Das wäre das Gewicht der Seele, sagt man. Und da dachte ich mir, was ist, wenn wir nach dem Tod als Mäuse wiedergeboren werden?«
    »Haben die Mäuse bei der Geburt schon so viel gewogen?«
    Schilling überlegte. »Guter Einwand. Ist wohl doch alles Blödsinn. Wo ist Ihre Familie?«
    »Sind Sie verrückt?«
    »Nein, nur gesprächig. Also, wo sind Ihre Frau und Ihre Tochter?«
    »Weg.«
    »Wohin?«
    »Irgendwo. Weiß ich nicht. Was wollen Sie von mir?«
    »Sie sind also nicht tot?«
    »Tot? Sind die etwa tot?«
    »Das wollen wir von Ihnen wissen.«
    Meyer bekam einen Hustenanfall und schüttelte den Kopf.
    »Hatte Ihre Familie Grund, vor Ihnen wegzulaufen?«, mischte sich Hauptkommissarin Weilandt ins Gespräch.
    Langsam beruhigte Meyer sich wieder, trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht.
    »Ich hab ja schon gesagt, dass ich manchmal wild bin, wenn ich getrunken habe.«
    »Ein bisschen wild haben Sie gesagt.«
    »Nichts Ernstes. Genau.«
    »Da bin ich aber beruhigt.«
    »Ich verstehe Ihre Gefühle gut«, übernahm ihre Kollegin den Faden. »Ich hab selber Familie. Zwillinge sind harte Arbeit und mein Mann ist genau genommen auch ein Kind. Ich meine, ich liebe die wirklich, aber manchmal möchte ich allen dreien …, links und rechts!« Sie unterbrach sich, seufzte und winkte ab. »Das können nur Leute verstehen, die selber Kinder haben.«
    Der kleine Mann sah sie erleichtert an, und sie lächelte zurück.
    »Der Trick ist«, sagte sie und das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, »dass man es einfach nicht tut.«
    »Kommen wir nun zu Eduard Koss«, übernahm Bella Weilandt.
    »Der Mistkerl.«
    »Ist das ein Geständnis?«
    »Quatsch. Ich weiß schon, warum ich hier bin. Ich hab ja auch kein Geheimnis draus gemacht. Bin durch die Gegend gelaufen und hab allen erzählt, dass ich den umbringen will. Ich sags ja: ein bisschen wild, wenn ich gesoffen hab. Aber ich würde sowas nie machen. Hat wer die Polizei angerufen und gesagt, ich würd sagen, ich bring den um? Ich tu dem nichts. Versprochen.«
    Bella Weilandt zog eine Augenbraue hoch, was bei ihr durchaus elegant wirkte.
    »Sie sind nicht fürs Rumschreien verhaftet worden, sondern dafür, dass der abgetrennte Kopf von Eduard Koss gestern Abend auf Ihrem Balkon gelegen hat, während Sie im Zimmer nebenan angeblich Ihren Rausch ausschliefen.«
    Meyer sah die Frau an, wie man vielleicht die Hand Gottes anstarren würde, käme sie gerade vom Himmel herab.
    »Der Koss ist tot?«
    »Ja.«
    »Und der Kopf ist …?« Statt weiter zu sprechen, fuhr er sich mit dem Daumen über den Hals.
    »Ja. Der Kopf lag auf dem Boden Ihres Balkons, zumindest, als wir eintrafen.«
    Meyer drehte seinen eigenen zur Seite und erbrach sich. Natürlich mitten in mich hinein.
    Ich schrie auf, sprang zur Seite, rollte mich zu einer Kugel zusammen und schoss im Zickzack durch den Raum wie die magische Kugel beim Kennedy-Mord.
    Mein Ex-Therapeut hatte mir mal von einem Geist erzählt, der sich die fragwürdige Mühe gemacht hatte, auszurechnen, wie oft ein Geist pro Jahr von menschlichen Körperflüssigkeiten getroffen wird. Nach weltweiten Beobachtungen kam er auf folgenden Berechnungsindex: 0,5 x Einwohner pro 50km / 1000000. Das bedeutet für eine Stadt wie Berlin ca. 1,5-mal pro Jahr. Mein Therapeut erzählte mir das, um meine Angst zu verringern, aber da war er bei mir an der falschen Adresse. Allein die Tatsache, dass

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