Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)
Boden.
Auch Narraway drehte sich um, entfernte sich noch weiter von der zerstörten Kaserne weg, vom Befestigungswall, den Bibighar-Gärten, den dicht gedrängten Nebengebäuden und den anschließenden Wohnhäusern. Er musste sich überlegen, was er morgen vorbringen würde. Der jüngere Strafford hatte ihn für starrköpfig befunden, als Soldat ungeeignet. Ein kluger Kopf zwar, aber ohne Mut, kein stahl harter Kerl. So viel wusste Narraway, weil er es ihm in Eton direkt ins Gesicht gesagt hatte.
Nun, Narraway würde Strafford beweisen, dass der jüngere Bruder unrecht hatte.
Am nächsten Morgen rief Busby Major Strafford in den Zeugenstand. Er stellte zunächst fest, dass Strafford damit beauftragt worden war, den Mord an Chuttur Singh, der die Flucht Dhuleep Singhs ermöglicht hatte, zu untersuchen.
Busby stand in der Mitte des kleinen Raums, an dessen einem Ende Latimer saß mit den zwei Offizieren links und rechts von ihm. Der Zeuge hatte an einem anderen Tisch Platz genommen. Busby und Narraway saßen sich gegenüber.
Busby atmete tief ein. »Ich bedaure, dass es notwendig ist, auf Details einzugehen, aber Sie sind der Offizier, dem die Ermittlungen in dem Fall anvertraut wurden, der zehn Männer das Leben gekostet hat und obendrein noch das Leben desjenigen, der die Tat verübt hat. Oberst Latimer kennt Sie und Ihre Leistungen seit Jahren, aber die Beisitzer wissen vielleicht nicht so genau, was für ein Mensch Sie sind. Ich sage das, weil wir Ihre Ehre, Ihre Integrität und Ihre Sorgfalt wie einen Beweis der Handlungen anderer Personen betrachten werden. Entsprechend werden wir unser Urteil fällen.«
Strafford antwortete darauf nicht.
»Es ist uns aus Ihren Akten bekannt, dass Sie seit elf Jahren der Indischen Armee als Soldat von hohem Rang dienen. Waren Sie während der Belagerung letztes Jahr vor Ort?«
Strafford erstarrte und wurde bleich.
»Ja.«
»Sicher haben Sie entsetzliches Leid und Tod gesehen.«
»Ja.«
»Kannten Sie in dieser Zeit den Arzt Dr. Rawlins?«
»Ja, natürlich.«
»Auch Korporal Tallis, seinen Sanitäter?«
Man sah Strafford an, dass er die Frage nicht gerne beantwortete. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und hustete, bevor er antwortete.
»Selbstverständlich. Bevor Sie mich das fragen, möchte ich feststellen, dass er ein ausgezeichneter Sanitäter ist. Er erledigte oft Aufgaben, die weit über das hinausgingen, was von seinem Amt und seiner Ausbildung her gefordert war. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, kann Ihnen das bestätigen.« Er atmete tief ein. »Glauben Sie mir, ich kam nicht gerne zu dem Schluss, dass er Chuttur Singh angegriffen und es Dhuleep ermöglicht hat zu fliehen. Ich habe mein Bestes getan, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Es ist mir nicht gelungen, einfach deshalb, weil es kein anderes gibt.«
Busby stand stocksteif da. Er vermied es, Narraway oder Latimer in die Augen zu schauen.
»Major Strafford, ich muss Sie das fragen, damit wir über jeden Zweifel erhaben sind, was Ihre persönlichen Gefühle betrifft: Hatten Sie jemals Grund, Abneigung gegen Korporal Tallis zu hegen? Wir wissen alle, dass er sich gelegentlich … widersetzte, dass er einen etwas merkwürdigen Sinn für Humor hat, der zu kindischen Streichen führte, die auf Vorgesetzte zielten, die er als zu … streng empfand oder die, seiner Ansicht nach, ihre Befugnisse überschritten. Hat er Ihnen jemals einen dieser albernen Streiche gespielt? Hat er vielleicht andere dazu gebracht, Ihnen mit weniger Respekt zu begegnen, als es sich gehört? Mit anderen Worten, waren Sie jemals Zielscheibe seines eigenartigen Humors? Wurden Sie ausgelacht, hatte man sich über Sie lustig gemacht, wurde Ihre Autorität infrage gestellt?«
Straffords hageres Gesicht erglühte.
»Um Himmels willen, nein!« Er erstickte fast an den Worten. »Wir waren beide am Ende der Belagerung da, als Mrs Greenway mit der Nachricht von Nana Sahib kam, in der er uns an Eides statt den Vorschlag machte, den Verletzten, den Frauen und Kindern freies Geleit zu geben. Zunächst über den Ganges und dann bis Allahabad. Als Gegenzug verlangte er das ganze Geld, die Vorräte und die Schusswaffen, die sich noch innerhalb der Schutzwälle befanden. Es wurde ihm gegeben, was er verlangte.« Er sprach mit zittriger Stimme, und es fiel ihm schwer fortzufahren.
Narraway saß gebannt da. Jetzt galt sein Mitgefühl Strafford, nicht Tallis.
Busby wartete.
Strafford nahm sich mit aller Gewalt wieder zusammen, holte
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