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Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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immer wieder tief Luft. Sein Gesicht war aschfahl.
    »Am Morgen des 27. gingen wir von den Schutzwällen zu den Booten. Indische Soldaten standen an beiden Ufern.«
    Busby verlagerte sein Gewicht. Sonst war im ganzen Raum nicht das geringste Geräusch zu hören.
    »Sie wissen ja, was danach geschah.« Seine Kehle war wie zugeschnürt, sodass er nur mühsam ein Wort herausbrachte. »Tantya Tope befahl, zum Angriff zu blasen. Dann wurden zwei Kanonen aus einem Versteck gezogen, und das Feuer auf die Boote wurde eröffnet. Kartätschen kamen zum Einsatz und dann Musketen.« Er versuchte nicht einmal, die Tränen zu verbergen, die ihm ungehindert übers Gesicht rannen. »Das Schilf an den Booten fing Feuer. Verletzte und Hilflose verbrannten. Einige der Frauen, unter anderem meine eigene Ehefrau, sprangen mit ihren Kindern ins Wasser. Auch sie wurden erschossen oder von den Säbeln der Soldaten niedergestreckt, die mit ihren Pferden ins Wasser geritten kamen, und alle, bis auf ein paar wenige, niedermetzelten. Die Männer, die es noch bis ans Ufer schafften, wurden dort getötet, Frauen und Kinder wurden gefangen genommen.«
    Schließlich ergriff Latimer das Wort. »Wir wollen diese Schrecken nicht mit Worten schmälern. Alle haben sie die wahre Hölle erlebt. Hauptmann Busby, Sie verfolgen vermutlich einen bestimmten Zweck, als Sie von Major Strafford verlangten, den Verlust seiner Familie nochmals zu durchleben?«
    Busby schluckte. »Ja, Sir. Major Strafford, welche Rolle spielte Korporal Tallis, Ihres Wissens nach, bei diesen Schreckenstaten und danach?«
    Narraway fühlte sich ganz benommen. Er hatte keine Ahnung, was jetzt zu tun war. Der Verlauf des Prozesses war ihm vollkommen entglitten. Er blickte zu Tallis und sah die Tränen in seinem Gesicht. Er schämte sich ihrer nicht und versuchte auch nicht, sie zurückzuhalten.
    »Er stand den Verwundeten bei und war einer der Letzten, die das Boot verließen. Er tat alles in seiner Macht Stehende, um denen zu helfen, die noch weiter angegriffen wurden. Keiner der Soldaten zeigte so selbstlosen Mut wie er.«
    »Es muss Sie also, genau wie Dr. Rawlins, verletzt und bestürzt haben, als Sie notgedrungen zu dem Schluss kamen, dass er, und zwar nur er, Chuttur Singh ermordet haben konnte?«
    »Ja.«
    Busby hob ein wenig die Schultern. »Könnte irgend jemand glauben, dass Chuttur Singh an diesem schrecklichen Verrat beteiligt war? Dachte Tallis vielleicht an Rache für dieses Massaker?«
    »Nein«, sagte Strafford rundheraus. »Chuttur Singh war sein ganzes Leben lang treu ergeben. Dessen bin ich mir absolut sicher. Niemand hätte anders über ihn gedacht.«
    »Danke. Lassen Sie uns jetzt mit Ihrer ausführlichen Stellungnahme fortfahren. Berichten Sie von dem Tag, als Chuttur ermordet wurde und Dhuleep flüchtete. Haben Sie Beweise gefunden, die jemanden unmittelbar belasten?«
    »Keine«, antwortete Strafford. »Chuttur Singh starb, ohne Namen zu nennen, und die Soldaten, die auf den Alarm hin herbeieilten, waren wohl zu spät und sahen auch niemanden, auch dann nicht, als sie hinter Dhuleep her waren.«
    »Was taten Sie dann?«, wollte Busby wissen. Alle kannten Straffords Antwort schon. Busby hatte ihm lediglich den Weg gewiesen.
    Strafford klang müde, auf seinem Gesicht konnte man Spuren der Erschöpfung erkennen. »Ich fing an, alle Soldaten, die Dienst hatten, zu befragen. Auch diejenigen, die zwar nicht im Dienst waren, sich aber zur Tatzeit auf dem Gelände aufgehalten hatten. Außer Korporal Tallis hatten alle ein Alibi.« Seine Kinnpartie war fest, alle Muskeln gespannt.
    Busby setzte eine entschuldigende Miene auf. »Da Korporal Tallis jegliche Täterschaft bezüglich des Mords und der Flucht leugnet, muss ich Sie leider bitten, Einzelheiten Ihrer Ermittlung darzulegen. Leutnant Narraway hat mich informiert, dass er nicht bereit ist, Ihre Versicherung allein zu akzeptieren, wie ich gehofft hatte, damit uns diese unerfreuliche Fragerei erspart bleibt. Wir haben, weiß Gott, genug anderes zu tun.«
    Narraway erhob sich, vom Zorn getrieben, nicht von der Vernunft. »Will Hauptmann Busby etwa andeuten, dass wir einen Menschen hängen wegen eines Verbrechens, das er womöglich gar nicht begangen hat, nur um die Zeit zu sparen, die ein gerechtes Gerichtsverfahren erfordert, Sir?«
    Latimer presste die Lippen zusammen und drückte seine Hände fest auf den Tisch. »Natürlich nicht!«, fauchte er und wandte sich an Busby. »Hauptmann, Ihre Wortwahl war, gelinde

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