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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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singende
Menschen. Es waren Kikuju-Katholiken, die nach einer Mitternachtsmesse nach
Hause gingen. Ein Ibis war aufgewacht und krächzte in der Nacht, und ein
aufgestörter Esel stieß sein entsetzliches rauhes Wiehern aus. Thomas ging auf
seine Frau zu und machte sich bereit, ihr zu sagen, daß sie schön sei.
    ›Ich verstehe nicht. Es ist Sonntag.‹
    ›Ich hab’s Ndegwa versprochen.‹
    ›Was versprochen?‹
    ›Daß ich seine Frau besuche.‹
    ›Wozu soll das gut sein?‹
    ›Zu nichts vermutlich. Es ist nur ein Versprechen, Regina.‹
    ›Warum hast du mir nicht gesagt, daß du mit dem Mann etwas getrunken
hast?‹
    Er ging zum Wagen, wie immer überrascht, daß er noch in der
Einfahrt stand. Drinnen im Haus kochte Regina vor Wut, woran sich nichts
geändert hätte, wenn er später am Abend wieder zurückkehrte. Er hatte sie
aufgefordert, mitzukommen, aber sie hatte, entweder aus Sturheit oder weil sie
arbeiten mußte, sein halbherziges Angebot abgelehnt. Aber erst nachdem sie ihm
(mit verschränkten Armen und säuerlicher Miene) gesagt hatte, daß sie für den
Nachmittag eigentlich ein Picknick in den Ngong Bergen geplant hatte, das jetzt
offensichtlich ausfallen mußte. Er war zusammengezuckt bei ihrer Lüge. Obwohl
er erleichtert war, als sie schließlich sagte, daß ihr die Fahrt ohnehin zu
lange dauern würde. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als allein zu sein.
    Er verließ die von Jacaranda-Bäumen beschattete Einfahrt, fuhr über
die Windy Ridge Road zum Zentrum der Stadt und wunderte sich, wie so oft, über
die Hecken von Karen, die dichten, undurchdringlichen Mauern, die die Häuser
vor den Blicken der weniger Begüterten verbargen. Karen, das nach seiner
berühmtesten Bewohnerin Karen Blixen benannt war ( Ich hatte
eine Farm … ), war einst eine fast ausschließlich weiße Enklave, eine
Art Mini-Coltswolds, mit weitläufigen Farmen, weiß umzäunten Ställen, ein Ort,
wo die angelsächsische Elite ihrer Liebe zu Rennpferden und ausgiebigem Trinken
frönte. Inzwischen tauchten auf den Schildern vor den Einfahrten vereinzelt
auch afrikanische Namen auf – Mwangi, Kariuki und Njonja – reiche Luos, Kikujus
oder Kalinjins, eine afrikanische Elite, die ihr Geld mysteriöserweise oft in
der Politik gemacht hatte. Und vor allen Einfahrten stand das obligate Schild: Mbwa kali . Bissiger Hund.
    Der Escort ruckelte über die Ngong Road nach Nairobi hinein, und der
Lärm aus dem kaputten Auspuff kündigte allen auf dem Rennplatz oder im Ngong
Forest lautstark sein Kommen an. Er fuhr durch die Straßen der Stadt, die
jetzt, am Sonntagmorgen, still waren, verließ Nairobi über die A 104 in
Richtung Limuru, und die Häuserlandschaft erschien ihm wie eine Art Tagebuch
über die Zeit, die er im Land verbracht hatte: der Impala-Club, wo er mit dem
kenianischen Repräsentanten von Olivetti Tennis gespielt hatte, das Arboretum,
wo er und Regina einst nach dem Liebesspiel eingeschlafen waren, und das Haus
eines UNICEF -Vertreters, wo er sich in einem Anfall
von Nostalgie mit Scotch und Drambuie betrunken hatte. Er war nur einmal bei
Ndegwas Hütte draußen gewesen und hoffte, er würde sich an den Weg durchs
zentrale Hochland erinnern, das einst das »Happy Valley« genannt wurde, wegen
der Freizügigkeit und der Alkoholexzesse der früheren anglo-kenianischen
Bewohner, denen die großen Weizen- und Chrysanthemenplantagen gehört hatten.
Der Mau-Mau-Aufstand und die Unabhängigkeit hatten dem Spaß ein Ende gemacht,
die riesigen Farmen waren in kleinere Parzellen aufgeteilt worden, wo jetzt
Bananen, Cassavas, Kartoffeln und Tee angepflanzt wurden. Das Grün der
Teeplantagen hatte Thomas immer Ehrfurcht eingeflößt: ein scheinbar
irisierendes Smaragdgrün, das die Essenz von Licht und Wasser in sich barg.
    In Limuru kaufte er in einem Laden eine Schachtel Player’s, fragte
nach dem Weg zu Ndegwas Hütte und bemerkte die Routine, mit der der Händler
Auskunft gab, als beschriebe er die vielbefahrene Route zu einer
Touristenattraktion. Als er die Straße sah, erinnerte sich Thomas wieder daran – es war kaum mehr als ein gewundener Pfad über einen terrassenförmig
angelegten Hügel. Er parkte inmitten einer Ansammlung verschiedenster
Fahrzeuge: schwarze Fahrräder mit verrosteten Schutzblechen und Weidenkörben,
ein Peugeot 504 mit Schaffell über den Sitzen, ein weißer Kombi, der wie der
Lieferwagen einer Bäckerei aussah. In einiger Entfernung von den Fahrzeugen
befand sich ein Kreis von Männern, locker

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