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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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dritt«, gab Willa zu bedenken. Als Charlie mit dem Schwanz leicht auf den Boden klopfte, lächelte sie gequält. »Zu viert. Da steht man sich mit einem Gewehr besser.«
    »Ein Punkt für dich.« Ben griff zur Kaffeekanne und füllte ihre Tassen.
    Sie hatten eine warme Mahlzeit im Bauch, und Koffein zirkulierte in ihren Adern und regte den Kreislauf an. Mehr Zeit konnte Willa ihnen zur Erholung nicht gönnen.
    »Er war hier.« Ihre Stimme klang ruhig, denn sie konzentrierte sich mit aller Kraft darauf. »Ich weiß, die Polizei hat die Hütte durchsucht, nachdem die Frau ermordet wurde. Ich weiß, daß sie keine Beweise dafür gefunden haben, daß der Täter sie hier festgehalten hat. Aber ich glaube, daß das trotzdem der Fall war. Ich glaube, er hat sie hier gefangengehalten und umgebracht. Und dann hat er sämtliche Spuren verwischt.«
    Sie stand auf, ging zum Schrank unter der Spüle und holte den Eimer heraus. »Ich denke, er hat mit diesen Lappen das Blut weggewischt und dann den Eimer wieder unter die Spüle gestellt.«
    »Zeig mal.« Ben nahm ihr den Eimer aus der Hand, dann drückte er sie sanft auf einen Stuhl. »Den nehmen wir besser mit.« Er stellte den Eimer neben die Holzkiste, so daß sie ihn nicht mehr sehen konnte.
    »Er hat sie hier getötet.« Bei dem Gedanken schlug Willa das Herz bis zum Hals. »Vermutlich hat er sie an eine dieser Pritschen gefesselt, vergewaltigt und umgebracht. Dann hat er die Schweinerei beseitigt. Er muß sie mit dem Pferd heruntergeschafft haben, höchstwahrscheinlich nachts. Den Leichnam konnte er ohne Schwierigkeiten ein paar Stunden, ja, sogar einen Tag lang irgendwo versteckt haben, ehe er ihn vor unsere Tür gelegt hat. Er hat ihre sterblichen Überreste wie einen Müllsack auf unsere Veranda geworfen.«
    Sie schloß die Augen. »Und jedesmal, wenn ich denke, wenn ich hoffe, daß alles endlich vorüber ist, dann passiert wieder etwas. Er schlägt wieder zu, und niemand weiß, aus welchem Grund er das tut.«
    »Vielleicht gibt es keinen plausiblen Grund.« Ben beugte sich zu ihr hinunter und nahm ihre Hände in seine. »Willa, wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. In einer Stunde wird es dunkel. Wir können bis zum Morgengrauen hierbleiben, oder wir können im Schutz der Dunkelheit zurückreiten. Beides ist nicht ohne Risiko, und beides wird schwierig.«
    Willa sah Adam forschend an. »Fühlst du dich kräftig genug zum Reiten?«
    »Ich werde schon durchhalten.«
    »Dann möchte ich auf keinen Fall hierbleiben.« Sie holte einmal tief Atem. »Ich schlage vor, wir brechen bei Einbruch der Dämmerung auf.«
     
    Die Nacht war kalt und klar. Dünne Nebelschwaden krochen über den Boden. Der Mond stand rund und voll am Himmel und wies ihnen mit seinem fahlen Licht den Weg. Derselbe Vollmond, dachte Willa wie betäubt, würde auch jedem Feind die Jagd nach ihnen erleichtern. Der Hund lief mit lauschend aufgestellten Ohren vorneweg, und ihre Stute zitterte unter ihr, als würde sich Willas Nervosität auf das Tier übertragen.
    Jeder Schatten stellte eine mögliche Bedrohung dar, jedes Rascheln im Gebüsch konnte eine geflüsterte Warnung sein. Der Schrei einer Eule, das zischende Geräusch zur Erde herabschießender Schwingen und das entsetzte Kreischen des anvisierten Beutetieres waren nicht länger in den Bergen vertraute Laute, sondern mahnten sie, nicht zu vergessen, daß jedes Lebewesen sterblich war.
    Die Berge sahen wunderschön aus; der Mond warf einen schwachen bläulichen Glanz auf den Schnee, von dem sich die dunklen Baumreihen scharf abhoben, und Felsformationen ragten schroff in den Nachthimmel hinein.
    Doch sie waren zugleich eine Quelle des Todes.
    Er mußte diesen Weg genommen haben, dachte sie, mußte mit seiner über den Sattel geworfenen Trophäe stetig gen Osten geritten sein. Mehr war das tote Mädchen nicht für ihn gewesen. Eine Trophäe, ein Beweis seiner Geschicklichkeit und Intelligenz. Und seiner Kaltblütigkeit.
    Sie erschauerte und zog die Schultern hoch, um sich gegen den schneidenden Wind zu schützen.
    »Bist du okay?«
    Willa warf Ben einen Blick zu. Im Dunkeln glühten seine Augen wie die einer Katze, scharf und wachsam. »Am Tag der Beerdigung meines Vaters, als Nate sein Testament verlas, glaubte ich, nichts würde mich in Zukunft stärker treffen, mich mehr verletzen können. Ich war sicher, mich niemals wieder so hilflos fühlen zu müssen, so ohne jegliche Kontrolle über mein Leben zu sein. Ich dachte, dies sei das Schlimmste, was mir

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