Der weite Himmel: Roman (German Edition)
entziehen. »Wir beide haben unsere eigenen Gedanken und unsere eigenen Zukunftspläne.«
»Glaube ich euch gerne.«
»Ich werde dir mal verraten, wie meine aussehen. Wenn das Jahr um ist, werde ich wieder nach L. A. zurückkehren, auf dem Rodeo Drive bummeln und in dem Lokal essen, das gerade als Geheimtip gilt.« Welches mit Sicherheit nicht mehr derselbe Geheimtip sein würde wie im letzten Herbst. »Dann verwende ich meinen Gewinnanteil aus der Mercy Ranch dazu, mir ein Häuschen in Malibu zu kaufen, ganz nah am Meer, damit ich Tag und Nacht die Wellen rauschen hören kann.«
»Ich bin noch nie am Meer gewesen«, murmelte Willa.
»Nein?« Schwer vorstellbar. »Na ja, vielleicht kommst du mich eines Tages ja mal besuchen, und ich zeige dir, was zivilisierte Menschen mit ihrer Zeit anfangen. Ich könnte sogar versucht sein, meinem Buch ein Kapitel hinzuzufügen. Willa in Hollywood.«
Lachend rieb sich Willa über das Kinn. »Was für ein Buch? Ich dachte, du schreibst an einem Filmscript.«
»Das auch.« Unangenehm berührt schob Tess die Hände in die Hosentaschen. »An dem Buch schreibe ich eigentlich nur zum Spaß.«
»Und ich komme darin vor?«
»So könnte man es nennen.«
»Es spielt hier, in Montana? Auf Mercy?«
»Wo sonst?« knurrte Tess. »Immerhin hänge ich ein Jahr lang hier fest. Aber es ist nichts Besonderes.« Sie begann mit den Fingern auf der Zaunlatte herumzutrommeln. »Ich hab’ noch nicht einmal Ira davon erzählt. Nur ein Zeitvertreib, wenn mich die Langeweile überkommt.«
Wenn das stimmen würde, dachte Willa, dann wäre sie jetzt nicht so verlegen. »Kann ich es mal lesen?«
»Nein. Ich werde Lily sagen, daß du den Einkaufsbummel platzen läßt. Aber beschwer dich hinterher nicht, wenn du ein Organdykleid tragen mußt.«
»Einen Teufel werde ich tun.« Willa drehte sich um und betrachtete erneut die Berge. Ihre Stimmung hatte sich beträchtlich gehoben, doch als sie bemerkte, daß immer neue Wolken am Himmel auftauchten, wußte sie, daß es noch nicht vorbei war. Weder der Winter noch alles andere.
Die Dinnerparty war Lilys Idee gewesen. Nur ein kleines, informelles Essen hatte sie versprochen. Nur die drei Schwestern, Adam, Ben und Nate. Alle, die sie jetzt als ihre Familie betrachtete.
Trotzdem empfand sie eine freudige Erregung. Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie die Rolle der Gastgeberin übernehmen, in ihrem eigenen Heim eine Party geben.
Ihre Mutter hatte früher, als Lily noch zu Hause gelebt hatte, häufig Gesellschaften gegeben, und sie hatte alles so perfekt organisiert, daß Lilys Hilfe überflüssig gewesen war. Während der kurzen Zeit, in der Lily dann eine eigene Wohnung hatte, fehlten ihr die notwendigen Mittel, um Gäste zu bewirten, und ihrer Ehe waren gesellschaftliche Kontakte eher hinderlich denn dienlich gewesen. Aber nun hatten sich die Umstände geändert. Sie hatte sich geändert.
Den ganzen Tag hatte sie damit zugebracht, die Party vorzubereiten. Hausputz bedeutete für sie keine Last, sondern eher eine Freude. Sie liebte jeden einzelnen Quadratmeter des Häuschens, und Adam gehörte auch nicht zu der Sorte
Mann, die ihre Kleider dort liegenließen, wo sie sie ausgezogen hatten, und die leere Bierflaschen auf dem Fußboden vergaßen. Die kleinen persönlichen Noten, die sie der Einrichtung hinzugefügt hatte – den kleinen Messingfrosch, den sie in einem Katalog gesehen und dann bestellt hatte, oder die Glaskugel, die in verschiedenen Blautönen schimmerte und die sie in einem Geschäft in Billings entdeckt hatte –, schienen ihn nicht zu stören. Sie hatte vielmehr den Eindruck, als würden die Veränderungen ihm gefallen. Er sagte häufig, sein Haus sei viel zu kahl und schmucklos gewesen, ehe sie zu ihm gekommen sei.
Mit Bess hatte sie in Kochbüchern geschmökert und sich dann für gegrillte Rippchen entschieden. Sie schob sie gerade in den Ofen, als Bess den Kopf zur Küchentür hereinsteckte.
»Alles unter Kontrolle hier?«
»Voll und ganz. Ich hab’ die Rippchen genau nach deinen Angaben gewürzt. Und schau mal hier.« Stolz öffnete Lily den Kühlschrank, um ihre Kuchen zu zeigen. »Ist die Baisertorte mit den hübschen Zuckerperlen nicht gut gelungen?«
»Die meisten Männer haben eine Schwäche für Zitronenbaisertorte.« Bess würdigte die Kuchen mit einem Kopfnikken. »Das hast du gut gemacht.«
»Ach, ich wünschte, du würdest deine Meinung ändern und doch noch kommen.«
Bess winkte ab. »Du bist ein liebes
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