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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Schwesterchen.«
    »Okay. Fall nicht auf die Nase«, meinte Willa, die zusah, wie Tess anmutig auf den Jeep zuging. »Hoffentlich fällt Nate nicht auf die Nase«, murmelte sie dann leiser.
    Sie wartete einige Augenblicke, drehte sich dann um, ging ins Wohnzimmer und streckte sich auf dem Sofa aus. Nach einem langen Blick auf den großen, liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum am Fenster vergrub sie ihr Gesicht in dem weichen Leder.
    Weihnachten war stets eine unerfreuliche Zeit für sie gewesen. Ihre Mutter war im Dezember gestorben, sie erinnerte sich zwar nicht mehr daran, aber sie kannte das Datum, und dieses Wissen beschwor immer einen Schatten herauf, der die Feiertage beeinträchtigte. Bess hatte weiß Gott ihr Bestes getan, um sie mit weihnachtlichen Dekorationen, Plätzchen, Geschenken und Liedern aufzuheitern, aber all das konnte ihr nicht die fehlende Familie ersetzen. Niemand spielte Weihnachtslieder auf dem großen Klavier, niemand stand neben ihr vor dem Baum und sah zu, wie sie ihre Päckchen auspackte. Adam und sie hatten ihre Geschenke immer am Heiligabend ausgetauscht – nachdem ihr Vater volltrunken schnarchend im Bett lag. Daß sie Geschenke unter dem Baum vorfand, dafür hatte Bess gesorgt. Sie hatte die Pakete mit Jacks Namen versehen. Doch als Willa sechzehn wurde, hatte sie diese Pakete nicht mehr geöffnet. Und nach einigen weiteren vergeblichen Versuchen hatte Bess diese gutgemeinte Täuschung aufgegeben.
    Am Morgen des ersten Weihnachtstages war ihr Vater gewöhnlich verkatert und äußerst schlecht gelaunt gewesen, und als sie einmal all ihren Mut zusammengenommen und sich darüber beklagt hatte, war eine schallende Ohrfeige die Folge gewesen.
    Nein, sie hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich auf die Feiertage zu freuen.
    Und nun fühlte sie sich entsetzlich erschöpft und ausgepumpt. Der Winter war so plötzlich und mit so brutaler Gewalt über sie hereingebrochen, sie hatte mehr Rinder verloren als erwartet. Wood fürchtete, sie hätten das Wintergetreide nicht rechtzeitig eingebracht. Der Marktpreis pro Stück Vieh war gefallen – kein Grund zur Panik, aber zumindest zur Sorge.
    Außerdem wartete sie unbewußt jeden Tag darauf, daß sie wieder ein getötetes Tier – oder Schlimmeres – vor ihrer Tür finden würde.
    Es gab niemanden, mit dem sie über all das sprechen konnte, so behielt sie ihre Sorgen für sich. Sie wollte vermeiden, daß Tess und Lily fortwährend in Angst schwebten, doch sie konnte ihre Augen auch nicht vor der drohenden Gefahr verschließen. So sorgte sie dafür, daß entweder sie, Adam oder Ham auf die beiden aufpaßten, wenn sie das Haus verließen.
    Und nun war Tess alleine mit dem Auto unterwegs, und Willa hatte nicht die Kraft aufgebracht, sie zurückzuhalten.
    Ruf Nate an, befahl sie sich. Steh auf, ruf Nate an und sag ihm, daß sie kommt, damit er nach ihr Ausschau halten kann. Doch sie rührte sich nicht von der Stelle, konnte sich noch nicht einmal dazu aufraffen, die Beine vom Sofa zu nehmen und sich aufzusetzen, um den Baum mit den hübsch verpackten Geschenken darunter zu betrachten.
    »Wenn du schlafen willst, solltest du dich besser ins Bett legen.«
    Beim Klang von Bens Stimme zuckte sie zusammen. »Ich schlafe nicht, ich ruhe mich nur eine Minute aus. Laß mich in Ruhe.«
    »Kommt nicht in Frage.« Er machte es sich neben ihr auf dem Sofa bequem. »Du verausgabst dich zu sehr, Will.« Er
streckte eine Hand nach ihr aus und drehte ihr Gesicht zu sich. Doch als er Tränen an seinen Fingern spürte, zog er die Hand so hastig zurück, als habe er sich verbrannt. »Du weinst ja!«
    »Tue ich nicht!« Gedemütigt preßte sie ihr Gesicht wieder gegen das Leder. »Ich bin nur müde, weiter nichts.« Doch ihre zittrige, tränenerstickte Stimme verriet ihm alles. »Laß mich alleine. Geh weg und laß mich alleine! Ich bin müde.«
    »Komm mal her.« Obwohl er wenig Erfahrung im Trösten von weinenden Frauen hatte, traute er sich durchaus zu, diese Situation zu meistern. Wie ein Kind hob er Willa hoch und zog sie auf seinen Schoß. »Was ist denn los?«
    »Nichts. Ich bin nur … ach, es kommt einfach alles zusammen«, stieß sie hervor und lehnte den Kopf an seine Schulter. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Aber deswegen weine ich noch lange nicht.«
    »Okay.« Da er es für besser hielt, wenn sie beide so taten, als würden die Tränen auf ihrem Gesicht nicht existieren, drückte er sie fester an sich. »Dann laß uns einfach eine

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