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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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mehr erreichen? Burton erstattete erneut Bericht. Die Augenbrauen des Generals sahen aus wie Schnüre.
    – Wie können wir diesem Mißstand ein Ende bereiten?
    – Indem wir die Armut abschaffen?
    – Wenn mir der Sinn nach etwas Geistreichem steht, schlage ich nach bei Lukian. Verstanden, Soldat?
    – Ziehen Sie die Alethe Dihegemate vor, oder vertiefen Sie sich lieber in die Nekrikoi Dialogoi ?
    – Einem Mann von Ihrer Begabung steht üblicherweise die Welt offen. Doch bei Ihrer Chuzpe, Burton, fürchte ich, werden Sie gegen einige Türen knallen. Haben Sie in unserer Angelegenheit noch weitere Vorschläge?
    – Momentan nicht, Sir. Ich bitte um Erlaubnis, dem Mann das Geld zu erstatten, mit dem er seine letzte Mahlzeit bezahlt hat.
    – Ist denn der Schuldige inzwischen nicht exekutiert worden?
    – Doch. Seine Familie treibt nun die Schuld ein. Der Mann, der nicht gerettet werden wollte, hat den restlichen Betrag zurückgezahlt, aber was er ausgegeben hat, bevor er an den Galgen trat, das muß er …
    – Wieviel?
    – Zehn Rupien.
    – Ein Festmahl!
    – Er hat sich einmal im Leben etwas gegönnt.
    – Auf Staatskosten, wie sich jetzt herausstellt. Sorgen Sie dafür, daß nicht bekannt wird, welche Auswüchse die Pax Britannica annimmt.
    – Jawohl, Sir.
     
     
     
    25.
    NAUKARAM
     
    II Aum Viraganapataye namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    – Das Leben von Burton Saheb hat sich geändert im Sindh. Und meines auch. Seines zum Besseren, meines zum Schlechteren. Er bekleidete zwar keinen höheren Rang, und er verdiente auch nicht mehr Geld. Das Haus, das wir bewohnten, war ein Zelt. In Baroda hatten wir zwölf Diener, jetzt nur noch zwei. Von außen betrachtet hätte keiner vermutet, daß seine Position bedeutender geworden war. Sindh wurde regiert von einem alten General, der von allen gefürchtet wurde, sogar von jenen, die ihm niemals begegnet waren. Burton Saheb wurde zu ihm gerufen eines Tages, er sollte übersetzen. Er hat den General beeindruckt, bei diesem Treffen, wie hätte es anders sein können. Er war ein Mann, Burton Saheb, der über den anderen Angrezi thronte. Das konnte dem General nicht verborgen bleiben. Er bestellte ihn ein weiteres Mal zu sich. Eine Unterredung unter vier Augen. Ich weiß nicht, worüber sie gesprochen haben. Aber ich weiß von den Schwierigkeiten, die später kamen.
    – Infolge dieses Gesprächs?
    – Ja. Gewaltige Probleme kamen auf uns zu. Ich hatte keine Ahnung, was für einen Auftrag der General Burton Saheb erteilte.Selbst seine direkten Vorgesetzten und seine Kameraden wurden darüber im unklaren gelassen.
    – Er hat dir nichts verraten?
    – Er sollte etwas auskundschaften, soviel hat er mir gesagt. Es bedeutete, daß er sich unter die Miya mischen mußte. Er schien sich darauf zu freuen. Als er nach Hause kam, ich nenne unser staubiges Zelt so, obwohl es unangebracht ist, war er ausgelassen wie seit langem nicht mehr. Er verkündete mit großem Gehabe: Wir werden uns im Land umschauen, Naukaram. Das Imperium nimmt unsere Talente endlich wahr. Er war glücklich an diesem Tag, und ich hatte nicht gedacht, daß er zu diesem Gefühl fähig war. Es ließ sich so gut an für ihn. Ich verstehe nicht, wieso es so übel enden mußte. Sein Auftrag hatte keinen Einfluß auf meine tägliche Arbeit. Ich war damit beschäftigt, der Wüste den Zugang zum Zelt zu versperren. Sie fand immer wieder einen Weg, sich an mir vorbeizustehlen. Burton Saheb brach immer häufiger auf, in Verkleidung. Irgendwohin. Er hat mir nie gesagt, wohin. Zuerst war er für einen Tag verschwunden. Doch die offenen Gespräche, stellte er fest, werden nachts geführt. Also blieb er für einige Tage weg, und schließlich sah ich ihn manchmal wochenlang nicht. Es war mir nicht wohl bei der Vorstellung, daß er diesen Wilden, diesen Beschnittenen, ausgeliefert war. Zum ersten Mal, seitdem ich bei ihm war, konnte ich ihm nicht zur Seite stehen. Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht. Wie hat er sich ernährt, wo hat er geschlafen? Ich wußte es nicht, er ritt ohne Gepäck. Er verschwand, ich blieb mit meinen Sorgen zurück, bis er wiederauftauchte. Erschöpft, übernächtigt. Aber er strahlte, ich konnte die Erregung spüren, die ihn durchströmte. Nach seiner Rückkehr erzählte er mir ein wenig von seinen Erlebnissen. Von ungewöhnlichen Bräuchen, denen er ausgesetzt war. Von großen Festen an Grabmälern. Nebensächlichkeiten dieser Art. Ich war verblüfft. Das konnten nicht

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