Der widerspenstige Highlander
stets bereit war, jedem einigermaßen passabel aussehenden Mann nachzusteigen, ohne die möglichen Folgen ihres Tuns zu bedenken.
Nora schaute vor allem auf das Innere eines Mannes. Eine hübsche Verpackung war sicher schön anzuschauen, aber wenn sie eine Natter enthielt, warf man sie besser weg, als sie an seinem Busen zu bergen.
Sie hatte ihr Leben lang diesen Leitsatz befolgt, und niemand, nicht einmal Ewan MacAllister, würde etwas daran ändern.
Ohne sie eines Blickes zu würdigen, schnalzte Ewan mit der Zunge und grub seinem Pferd die Fersen in die Flanken.
Einmal mehr beobachtete Nora ihn ungläubig, als er und das Pferd ohne einen Gedanken an die möglichen Gefahren über den zerklüfteten Boden stürmten, auf dem jeder unbedachte Tritt Mann und Pferd zu Fall bringen konnte.
Himmel, es wäre schieres Glück, wenn beide sich nicht das Genick brachen!
»Nun, wenn Ihr meint, ich hätte vor, Euch in diesem halsbrecherischen Tempo zu folgen, solltet Ihr besser noch einmal nachdenken, Ewan MacAllister«, verkündete sie, obwohl sie wusste, dass er sie nicht hören konnte.
Er mochte anmaßend mit seinem eigenen Wohl und Wehe und dem seines Pferdes umgehen, aber sie war nicht derart leichtsinnig mit ihrem Leben. Sie wollte England heil erreichen.
Daher trieb sie ihre Stute vorsichtig an und ritt wesentlich langsamer über den moosbewachsenen Boden als ihr unwilliger Begleiter.
Als sie den Rand der Wiese erreichte, wartete Ewan eine Hand in die Hüfte gestemmt auf sie. Sein Pferd zerrte ungeduldig an den Zügeln, wollte augenscheinlich schnell weiter, aber Ewan verhinderte das.
An seiner Miene konnte sie ablesen, dass der Mann sich über sie ärgerte.
»Na, ein wenig in den Tag geträumt?«, erkundigte er sich in scharfem Ton.
»Nein«, antwortete sie geziert, »ich übe mich nur darin, Euch zu erzürnen, und wenn ich Euer Gesicht so sehe, denke ich, ich mache meine Sache ziemlich gut. Meine Mutter behauptet immer, dass jedes Ziel, das die Mühe lohnt, auch die Mühe lohnt, es gut zu machen.«
Knurrend kratzte er sich an seinem Bart und funkelte sie wütend an. Sie fragte sich, ob der Mann überhaupt lächeln konnte und ob er wusste, wie finster und gefährlich er die meiste Zeit aussah.
»Ihr seid ein ganz schön verzogenes Gör.«
»Aye«, pflichtete sie ihm bei und legte mit einer koketten Geste den Kopf schief. »Mein Vater sagt, das sei eine meiner gewinnendsten Eigenschaften.«
Er gab einen Grunzlaut von sich, dann wendete er sein Pferd und ritt in den unzugänglichen Wald voran.
Diesmal war sein Tempo wesentlich vernünftiger, sodass es ihr nicht schwer fiel, dicht hinter ihm zu bleiben.
Jetzt, da sie näher beieinander waren, begann Nora all das zu fragen, was sie schon vorher wissen wollte. »Wie lange werden wir brauchen, um die Burg Eures Bruders zu erreichen? Wir befinden uns doch schon auf MacAllister-Land, nicht wahr?«
»Aye«, antwortete er, ohne den Blick von der Umgebung abzuwenden. »Aber wir sind in einem der entlegeneren Gebiete. Gewöhnlich kann man den Ritt in eineinhalb Tagen bewältigen, aber wenn Ihr auf dieser Geschwindigkeit beharrt, werden wir vermutlich ein Jahr brauchen.«
»Reitet Ihr immer wie ein Verrückter?«, erkundigte sie sich spöttisch.
Er antwortete nicht.
Nora wartete fast eine Minute.
Er nahm sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Er tat so, als sei sie gar nicht da.
»Entschuldigt bitte«, erklärte sie erbost. »Ich habe Euch eine Frage gestellt, Ewan MacAllister.«
Wieder schwieg er.
Nora wurde allmählich wütend. »Habt Ihr es Euch zur Angewohnheit gemacht, Fragen einfach zu ignorieren?«
Er stieß einen leidgeprüften Seufzer aus. »Mylady, wenn Ihr die Reise schweigend zurücklegt, gebe ich Euch alles, was Ihr verlangt.«
»Werdet Ihr mich nach London bringen?«
»Nein.«
Sie biss die Zähne zusammen. Dann eben nicht. Wenn er nicht tat, worum sie ihn bat, dann würde sie auch nicht tun, worum er sie bat.
»Schönes Wetter heute, nicht wahr?« Nora schaute sich im Wald um. Sie trieb ihr Pferd an, sodass sie neben Ewan ritt. »Recht erfrischend, aber doch warm. Ich mag diese Jahreszeit. Sie war mir immer schon am liebsten. Himmel, ich erinnere mich noch, als ich ein junges Mädchen war. Meine Mutter hat immer mit mir ...«
Ewan stöhnte, als er begriff, dass die Frau vorhatte, so lange zu plappern, bis er sie entweder umbrachte oder ihr nachgab.
Seine Ohren summten von ihren Worten, und auch wenn ihre Stimme süß und angenehm war, so
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