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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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wimmerte und stöhnte. »Sie will nicht essen und nicht schlafen. Und sie redet nicht. Sie gibt nur diese Laute von sich.«
    Onaru warf den Kopf hin und her. Als sie sich zu der Lampe drehte, konnte Sano einen kurzen Blick auf ihr Gesicht werfen. Die Augen waren geschlossen, die Wangen eingefallen. Von den Zuschauern her ertönte das gedämpfte Schluchzen einer Frau und das »Pssst!« von einigen anderen Personen. Das mussten Verwandte des Ehepaares sein.
    »Glaubt Ihr, sie ist besessen?«, fragte der Geldverleiher ängstlich.
    »Glaubst du es?«, flüsterte Fukida Marume zu.
    »Wir werden es gleich erfahren«, gab Marume ebenso leise zurück.
    Früher hatte Sano nicht an Besessenheit geglaubt. Für ihn waren alle Menschen, die angeblich von bösen Geistern besessen waren, Schwindler oder eingebildete Kranke gewesen. Doch in Ezogashima im hohen Norden Japans war er Zeuge eines Falles von Besessenheit geworden, der ihn eines Besseren belehrt hatte.
    »Wir werden sehen«, antwortete Joju auf die Frage des Geldverleihers.
    Er kniete sich neben Onaru, wobei sein Gesicht in den Lichtschein der Lampe tauchte. Sano staunte. Jojus Züge waren so ebenmäßig und so markant, dass er aussah wie das Idealbild männlicher Schönheit. Sano wusste, dass der Geisteraustreiber weit über vierzig war, doch in dem dämmrigen Licht im Tempel wirkte er alterslos. Seine großen, tief liegenden Augen glühten vor Weisheit und Leidenschaft.
    Joju hielt nun beide Hände dicht über den Körper der Frau, mit den Handflächen nach unten. Dann bewegte er die Hände langsam über der Frau hin und her, ohne sie zu berühren. Die Luft zwischen Jojus Handflächen und dem Körper schimmerte und schien vor Energie zu knistern. Der Weihrauchduft wurde noch intensiver; dichte weiße Schwaden wogten um den Geisterbeschwörer und die stöhnende Frau. Ein unheimliches Gefühl durchrieselte Sano. Die Augen, der Hals und der Kopf taten ihm weh. Auch Marume und Fukida schienen sich plötzlich unbehaglich zu fühlen. Onaru stöhnte, als hätte sie Schmerzen.
    »Ich fühle die Anwesenheit von einem ... nein, zwei ... nein, drei Geistern im Körper dieser Frau«, sagte Joju.
    Unter den Zuschauern erhob sich erregtes Gemurmel. »Bitte«, sagte der Geldverleiher, »könnt Ihr dafür sorgen, dass sie verschwinden?«
    »Ich werde es versuchen«, antwortete Joju.
    »Jetzt wird es spannend«, raunte Marume Fukida zu.
    Joju schloss die Augen, streckte die Arme nach der Frau aus und intonierte: »O ihr Geister, die ihr in Onaru seid, sprecht zu mir.«
    Auf der rechten Seite des Podiums flammte ein orangefarbenes Licht auf, und die Zuschauer schnappten erschrocken nach Luft. Das Licht erlosch. Das Bild glühte in Sano nach, durchsetzt mit wirbelnden Rauchfahnen. Ein blaues Licht, dann ein rotes, erstrahlte an verschiedenen Stellen in der Halle und erlosch sofort wieder. Eine urtümliche Furcht erfasste Sano, während die Zuschauer in ehrfurchtsvollem Schweigen verharrten.
    »Ich kann sie hören«, verkündete Joju mit dumpfer Stimme. »Ehrenwerte Geister, sagt mir, wer Ihr seid ...« Er verstummte, lauschte. »Die Geister sagen, sie hätten keine Namen. Sie seien Kinder, die vor der Geburt gestorben sind.«
    Fassungslosigkeit im Publikum, obwohl allgemein bekannt war, dass Joju sogar mit den Geistern von Föten reden konnte.
    »Wie seid Ihr gestorben, Kinder?« Eine Pause. Dann runzelte Joju die Stirn, als wäre er zutiefst beunruhigt. »Man hat Euch ermordet, sagt Ihr?«
    Schreie des Entsetzens aus dem Publikum.
    »Wer war Eure Mutter?«, fragte Joju.
    Onaru wand sich und stöhnte. Es schien, als würden Jojus ausgestreckte Hände irgendeine stoffliche Substanz aus ihrem Körper hervorziehen. Eine unheimliche, misstönende Musik setzte ein. Die Härchen in Sanos Nacken stellten sich auf. Fukida stieß Marume an, der vor sich hin murmelte.
    »Ich kann Euch hören, Kinder, aber könnt Ihr ein bisschen deutlicher sprechen?«, sagte Joju, das Gesicht angespannt vor Konzentration. »Ah, ich bekomme einen Namen. Es hört sich an wie eee ... iii ... ooo ... «
    »Emiko!«, rief der Geldverleiher, in dessen Stimme namenloses Entsetzen mitschwang.
    Joju schlug die Augen auf und fragte: »Ihr kennt diese Frau?«
    »Sie war eines meiner Hausmädchen.«
    Sano vermutete, dass Joju bloß ein paar Vokale genannt hatte, woraufhin der Geldverleiher dann ganz von selbst den richtigen Namen beigesteuert hatte. Hinzu kam, dass solche Geisteraustreibungen Monate im Voraus gebucht wurden,

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