Der Wunschtraummann
ist so eisig, dass er mir durch Mark und Bein geht.
»Ach, wirklich? Wie war es denn?«
»Ich wollte nicht zusehen, wie du verletzt wirst, ich wollte dir eine Zurückweisung ersparen …«
Kaum habe ich die Worte ausgesprochen, höre ich selbst, wie sie klingen, und weiß sofort, dass ich das niemals hätte sagen dürfen. Doch nun ist es zu spät.
Er weicht vor mir zurück wie ein Boxer nach einem Treffer, dann rafft er sich wieder auf und schaut mich mit einem harten Zug um den Mund an. »Fahr zur Hölle, Tess, auf dein Mitleid kann ich verzichten.«
Und dann dreht er sich um und stolpert blind durch die Menschenmenge, die uns gespannt zugehört hat, und stürzt nach draußen.
Vierunddreißigstes Kapitel
Im ersten Moment stehe ich wie angewurzelt da und bin zu schockiert, um mich zu bewegen. Ich kann einfach nicht fassen, was da gerade passiert ist. Es ist alles schiefgegangen, ganz schrecklich, schrecklich schiefgegangen. Panisch schaue ich mich um. Alle starren mich an, aber es ist mir egal, alles ist mir egal, nur Fergus nicht.
»Alles okay?«
Ich höre eine Stimme, und dann sehe ich, dass es das Mädchen ist, das er für Sara gehalten hat. Sie schaut mich mit sorgenvoll gerunzelter Stirn an. »Ähm … nein … ich … es tut mir so leid, ich wollte dich da nicht mit reinziehen«, und dann renne ich Entschuldigungen stammelnd hinter Fergus her.
Draußen hat es angefangen zu regnen, und ich kann ihn sehen, eine dunkle Gestalt ein gutes Stück weiter auf der anderen Straßenseite.
»Fergus, warte!« Schnell laufe ich die Treppe hinunter und haste über die Straße. Kopflos versuche ich, den Autos auszuweichen. Eins hupt wütend, und der Fahrer beschimpft mich wüst, doch ich bekomme es kaum mit. »Bitte, warte, ich weiß, dass du wütend auf mich bist, aber lass mich das erklären.«
Er dreht sich nicht mal um. Unbeirrt geht er weiter die Straße entlang, offenbar entschlossen, mich zu ignorieren. Ich laufe hinterher und versuche ihn einzuholen, aber es regnet immer heftiger, und der Bürgersteig ist rutschig. »Ich habe das nicht aus Mitleid getan, das musst du mir glauben«, rufe ich der sich entfernenden Gestalt hinterher und versuche verzweifelt, mir durch den Lärm der Autos Gehör zu verschaffen. »Das würde ich nie tun, du bist doch mein Freund …«
Abrupt bleibt er stehen und dreht sich auf dem Absatz um. »Freund?«, ruft er mir höhnisch zu und geht wieder auf mich zu. »Wir sollen Freunde sein? Welcher Freund tut denn so was?« Er atmet schwer und funkelt mich durch den dichten Regen finster an.
Noch nie hat er mich so angesehen, und mir brennen die Augen vor Tränen, aber ich darf jetzt nicht weinen. Ich muss es ihm erklären, er muss es verstehen.
»Ein Freund, der nicht möchte, dass du verletzt wirst«, entgegne ich, schlucke schwer und versuche ruhig zu bleiben im Sturm meiner Gefühle, der mich mitzureißen droht. »Als du die Anzeige bei Verpasste Chancen aufgegeben und keine Antwort bekommen hast, konnte ich nicht mit ansehen, wie traurig du warst. Und dann hattest du dieses Vorsprechen, und du warst so gut und hast immer bloß von Absagen geredet …« Meine Stimme droht zu brechen, aber ich zwinge mich, ganz ruhig weiterzureden. »… und ich wollte deinem Selbstvertrauen einfach einen kleinen Schubs geben, damit du endlich merkst, was für ein toller Kerl du bist.«
Ich schaue zu Fergus auf, aber er sieht mich gar nicht an, sondern starrt mit zusammengebissenen Zähnen unbeweglich auf den Bürgersteig. »Also dachte ich mir, ich schreibe dir zurück und tue, als sei ich sie …« Ich bringe den Satz nicht zu Ende. Damals erschien mir das eine großartige Idee, jetzt jedoch, wo ich es laut ausspreche, kommt es mir ziemlich dumm und gedankenlos vor. »Ich dachte, ich gebe deinem Ego einen kleinen Stups, damit du ein bisschen mehr Selbstvertrauen bekommst.«
»Behandele mich nicht wie ein kleines Kind.« Er schaut mich an, und ich sehe verletzten Stolz in seinen Augen aufblitzen.
»Tue ich nicht«, protestiere ich. »Du machst so ein großes Ding da draus, du reagierst völlig über.«
»Ich reagiere über?« Er spuckt mir die Worte förmlich vor die Füße, und ich zucke zusammen.
»Fergus, ich wollte doch nicht …«
O Gott, was rede ich mir hier den Mund fusselig? Verzweifelt vergrabe ich das Gesicht in den Händen und drücke die Stirn in meine Handflächen. Statt es besser zu machen, mache ich es nur noch schlimmer. Es ist wie ein Auto, das ungebremst über die
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