Der Wunschzettelzauber
Kindheit, und das brachte sie unvermeidlich auf Antoine.
Antoine schien es sogar als kleiner Junge schon immer mit allem eilig gehabt zu haben, so erzählte Guillaume. Eilig damit, erwachsen zu werden. Eilig damit, Petit Mulot zu verlassen und nach Paris zu gehen. Er hatte es geliebt, mit seinem Fahrrad überall herumzuflitzen und war nie einen Hügel hinaufgegangen, wenn er stattdessen rennen konnte. Er hatte es geliebt, sich mit Guillaume zu messen. Oft hatten sie sich gestritten, weil sie sich nicht einig waren, wer den letzten Wettbewerb gewonnen hatte.
»Ich bin ihm dankbar, weiÃt du«, stellte Guillaume fest. Er legte wie nebenbei eine Hand um Chloes nackten Fuà und begann, ihn sanft zu streicheln.
Sie verspannte sich ein klein wenig und atmete dann bewusst aus. Es war in Ordnung. Es war genau das Richtige. Körperlicher Kontakt würde sie einander näherbringen.
»Das Komische ist«, fuhr Guillaume leise fort, »dass ich auch dann noch mit ihm wetteiferte, als er schon nach Paris gegangen war und Medizin studierte. Es änderte gar nichts daran, dass wir auf ganz verschiedenen Gebieten arbeiteten. Je mehr ich davon hörte, wie weit er es gebracht hatte, umso mehr wollte ich mich bei dem, was ich tat, hervortun. Nach der Winzerausbildung hätte ich sofort anfangen können, mit meinem Vater zusammenzuarbeiten, aber ich wollte stattdessen auf den wirklich groÃen und erfolgreichen Weingütern so viel praktische Erfahrung sammeln, wie ich konnte.«
»Wie zum Beispiel das Weingut in Neuseeland?«, fragte Chloe und veränderte ihre Haltung, so dass Guillaume ihre Wade streicheln konnte, was er auch mit einer sehr leichten Berührung tat. Sie durfte nicht an Charlie oder an Charlies Hände denken, oder daran, wie es wäre, wenn Charlie auf ihrem Bett liegen und zu ihr aufsehen würde anstatt Guillaume. Sie durfte Guillaume nicht länger mit ihm vergleichen, sonst würde alles schiefgehen. Charlie war ein Fantasiebild, nicht mehr â und Guillaume war die Wirklichkeit. Sie sollte sich entspannen, im Hier und Jetzt leben und genieÃen, was sie bekam: die ungeteilte Aufmerksamkeit eines sehr attraktiven Mannes, der alles organisiert hatte, um sie in Paris, der wunderschönen Stadt der Liebe, zu treffen. Das war wahrhaftig nichts, worüber man sich beschweren konnte.
»Ja«, erwiderte Guillaume, und seine Hände berührten jetzt ihren Oberschenkel. »Wie das Weingut in Neuseeland.«
Sie sahen sich an. Chloe lächelte, neigte dann den Kopf in Richtung Nicolas, und Guillaume, der ihre Geste richtig verstand, nahm sofort seine Hände von ihr. Dann setzte er sich auf und zog sie in seine Arme.
»Denk an Nicolas«, murmelte sie warnend an seinem Mund.
»Chloe, ich will dir nur einen Gutenachtkuss geben«, erwiderte er und sah ihr lächelnd in die Augen. »Und dann ist es Zeit, ins Bett zu gehen. Natürlich getrennte Betten.« Beide kicherten nervös wie Teenager.
Während sie beobachtete, wie Guillaumes Gesicht langsam ihr gesamtes Gesichtsfeld einnahm, als er sich über sie beugte, verbannte Chloe jeden Gedanken an Charlie und beschwor stattdessen ihre Erinnerungen an die rettende Begegnung in Montbard herauf, an das wunderschöne Hochzeitsfest und an den Spaziergang mit Guillaume in den Weinbergen, als sie seine männliche Schönheit genauso bewundert hatte wie die Schönheit der burgundischen Landschaft. Sie dachte an die angenehmen Eindrücke und Gefühle bei der Weinprobe. Dann erlaubte sie sich, seinen Mund zu kosten, während er ihren kostete, und sie fand ihn tröstlich. Sie küssten sich eine ganze Weile in dem flackernden blauen Licht des Fernsehers.
Der nächste Tag war ihr letzter Tag in Paris, und Rosine, die das wusste, rief Chloe am Morgen an und bot ihr an, Nicolas für ein paar Stunden zu sich zu nehmen, damit Chloe und Guillaume Gelegenheit zu einer â wie sie es nannte â »kleinen Eskapade unter Erwachsenen« hätten. Nun hieà es Farbe bekennen, und Chloe wusste es. Sie akzeptierte.
Guillaume war nicht der Mann, der eine solche Gelegenheit Âungenutzt verstreichen lieÃ. Er überrumpelte Chloe, indem er sie fort aus ihrem geliebten Viertel am Rive Gauche und zu einem charmanten Restaurant in einem der Vororte führte, das in der Nähe der Rennbahn von Longchamp lag. Dies war, wie er ganz richtig vermutet hatte, ein Ort, an dem sie
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