Der Zauber einer Winternacht
darüber nachdenken. Eine solche Entscheidung braucht Zeit.“
Offenbar genauso bewegt wie Gillian, wägte er seine nächsten Worte sehr sorgfältig ab.
„Aber … weißt du, ich bin nun mal kein Cowboy. Wenn ich in deine Fußstapfen treten sollte, wäre ich hoffnungslos überfordert. Wie Gillian schon erwähnte: Die Zeiten ändern sich. Ich sage es nicht gerne, aber die Tage für konventionell bewirtschaftete Ranches hier in der Gegend sind gezählt. Wenn du Moon Cussers obendrein so viel Kapital entziehst, um deine Kinder zufriedenzustellen, dann kann das den Bankrott bedeuten.“
„Wenn ich dir einen Rat geben darf“, fuhr er fort, „dann entzieh der Ranch kein Geld, sondern pumpe im Gegenteil möglichst viel in sie hinein, um sie auf eine zukunftsträchtige Bewirtschaftung umstellen zu können.“
Stella ging hoch wie eine Rakete.
„So ist das also. Du willst uns nicht nur um unser Elternhaus bringen, sondern auch noch um unsere Million!“
Gillian verzog das Gesicht und schüttelte voller Abscheu den Kopf. „Eben noch galt dir diese eine Million als ein armseliges Almosen. Jetzt, wo du sie verlieren könntest, ist sie das offenbar nicht mehr.“
Rose versuchte es mit der Tränendrüse. „Daddy, siehst du denn nicht, was er vorhat? Er wird binnen kürzester Zeit unsere Familie kaputt machen, nur um an dein Geld zu kommen, und dabei alles zerstören, wofür du so hart gearbeitet hast.“
„Ich brauche niemandes Geld“, warf Bryce verächtlich ein. „Ich stehe in Verhandlungen für den Verkauf meines kleinen Unternehmens, für das ihr immer nur Verachtung übrig hattet. In wenigen Monaten könnte ich, wenn ich wollte, diese Ranch kaufen und noch zehn Ranches dieser Größe dazu. Ich habe nicht die geringste Veranlassung, euch euer Erbe zu stehlen.“
Er presste die Lippen aufeinander. „Aber ich möchte mich wirklich gern bei eurem Vater revanchieren für das Vertrauen, das er in mich gesetzt hat, als ich es am dringendsten brauchte. Ich würde ihm jede Summe geben, die er benötigt, um die Ranch weiterzuführen und euren kaltherzig berechnenden Plänen, ihn entmündigen zu lassen, einen Riegel vorzuschieben.“
Gillian glaubte bei diesen Worten, das Herz ihres Vaters brechen zu hören. Sie fing ihn auf, als er taumelte, und schob ihm einen Stuhl hin.
„Das wolltet ihr mir wirklich antun?“, fragte er tonlos.
„Natürlich nicht“, erwiderte Rose. Es klang nicht sehr überzeugend.
„W…wie kannst du so etwas nur glauben?“, fügte Stella hinzu.
Um John wieder aufzurichten, fuhr Bryce hastig fort: „Solange ich zum Vormund bestellt bin, werde ich nichts dergleichen zulassen. Darauf hast du mein Wort. Und wenn tatsächlich eine von euch so dumm sein sollte, gegen meinen Willen eine Entmündigung zu bewirken, dann bringe ich euch vor Gericht, und wenn es mich den letzten Penny kostet.“
Während John Baron noch dabei war, den Verrat seiner Kinder zu verdauen, versuchte Gillian zu verarbeiten, was Bryce soeben gesagt hatte. Er war also tatsächlich so wohlhabend geworden, wie er es ihr immer versprochen hatte. Und er hatte sein Ziel ganz allein erreicht. Ohne sie an seiner Seite.
Gillian musste ihn einfach dafür bewundern. Trotz der persönlichen Tragödie, der ihre Ehe zum Opfer gefallen war, hatte Bryce nie seinen Traum aus den Augen verloren. Es tat ihr nur leid, dass sie nicht da gewesen war, um sich mit ihm über seinen Erfolg zu freuen.
„Ich bin stolz auf dich“, sagte sie.
„Ich auch. Und wie stolz ich bin!“, fügte ihr Vater tief bewegt hinzu.
„Aber das ändert nichts an meinem Angebot“, fuhr er dann fort. „Ein so ehrgeiziger junger Mann wie du will sich doch noch nicht aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Was willst du mit deiner Zeit anfangen? Du bist nicht der Typ, der zufrieden damit ist, seine Tage mit Golfspielen und Reisen zu verplempern. Wenn du meinst, es lohnt sich, diese Ranch umzustellen, dann tu’s. Ich fühle mich nicht zu alt, um etwas Neues anzufangen.“
Seine Augen schimmerten, und Gillian erkannte: Er wollte nicht nur um ihretwillen, dass Bryce sein Angebot annahm. Er wollte das auch für sich. Die beiden standen sich wirklich sehr nahe.
„Das ist ein verlockendes Angebot“, sagte Bryce. „Aber Gillian hat recht: Jeder von uns hat sein eigenes Leben. Ich habe vor, mich zu entspannen und eine lange Auszeit zu nehmen, bevor ich entscheide, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen will. Es könnte sein, dass ich eine neue Firma gründe.
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