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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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gehalten.«
    Belle sank auf einen Stuhl und setzte eine angemessen überraschte Miene auf.
    »Er meint, ich müsste mehr an die frische Luft und jeden Tag üben, mit dem Holzbein zu gehen.«
    »Und was hast du dazu gesagt?«
    »Dass ich es versuchen werde.«
    Jetzt war Belles Überraschung echt. »Das würde uns alle freuen.« Die Bemerkung, dass sie ihm schon seit Wochen vergeblich genau dasselbe predigte, verkniff sie sich.
    »Ich war wohl wirklich apathisch«, gab er zu. »Dr. Towle hat mich darauf hingewiesen, dass die Muskeln in meinem verbliebenen Arm und Bein schwächer werden, wenn ich sie nicht gebrauche. Und draußen in der Sonne zu sein wird mir guttun.«
    »Wie wär’s, wenn du gleich mit den Gehübungen anfängst?«, schlug Belle vor. »Der Schankraum wäre ideal dafür, solange das Lokal geschlossen ist. Da gibt es nicht viele Hindernisse, denen du ausweichen musst.«
    »Nicht jetzt. Ich fange morgen an, wenn Garth dabei ist, um mir zu helfen.«
    Für Belle klang das nach Verzögerungstaktik.
    »Ich trainiere, Belle, Ehrenwort. Du bist nicht stark genug, um mich zu stützen. Mit Garth wird es besser gehen.«
    Zu Belles Überraschung hielt Jimmy sein Versprechen. Jeden Morgen, wenn Garth mit der Arbeit im Keller fertig war, ging Jimmy mit ihm in den Schankraum und übte. Die Theke hatte genau die richtige Höhe zum Festhalten, und wenn er es allein bis zum Ende geschafft hatte, half Garth ihm, sich umzudrehen, und stützte ihn auf dem Rückweg.
    Jeden Tag schafften sie ein bisschen mehr und verlängerten allmählich die Trainingszeit, bis Jimmy eine Stunde lang gehen konnte. Anfangs bekam er am Stumpf seines amputierten Beines, wo es sich an der Prothese rieb, wunde Stellen, aber Belle oder Garth massierten den Beinstumpf jeden Abend mit einer medizinischen Tinktur.
    Belle war so glücklich über Jimmys Bemühungen, dass sie seine weniger freundlichen Momente klaglos hinnahm. Nachmittags half sie ihm in den Hinterhof, damit er eine Weile in der Sonne sitzen konnte. Endlich besserte sich seine Laune, und eines Sonntagnachmittags war er sogar einverstanden, sich im Rollstuhl ausfahren zu lassen, solange Garth bereit war, ihn zu schieben.
    Belle und Mog waren selig, dass sie alle zusammen einen Ausflug machen würden. Sie putzten sich beide mit ihren besten Kleidern und schicksten Hüten heraus, und Garth warf sich in ein gestreiftes Jackett und setzte einen Strohhut auf. Auch Jimmy würdigte den Anlass, indem er sich von Belle in die grüne Leinenjacke helfen ließ, die er früher hinter der Theke getragen hatte.
    Es war Schwerstarbeit, ihn den Hügel zur Heide hinaufzuschieben, doch oben angelangt, ging es ganz leicht. Wie immer an einem Sonntagnachmittag waren viele Menschen unterwegs, um den Sonnenschein zu genießen. Aber man sah kaum Männer zwischen achtzehn und fünfzig. Die wenigen, die ihnen begegneten, waren alle auf Heimaturlaub und in Uniform und gingen mit ihren Frauen oder Liebsten spazieren. Die Kinder, die picknickten oder Ball spielten, wurden von Müttern oder Großeltern beaufsichtigt.
    Jimmy schien sich beim Anblick anderer Männer, die auf Krücken gingen oder einen Arm in der Schlinge hatten, zu entspannen. Einige von ihnen saßen wie er im Rollstuhl, doch es bedrückte ihn sichtlich, so viele Frauen in Schwarz oder mit einem Trauerband am Arm zu sehen.
    Irgendwann nahm er Belles Hand, ein wortloses Eingeständnis, dass er endlich auch an die Notlage anderer und nicht nur an seine eigene Behinderung dachte.
    Als sie beim Teich anlangten, ließen Garth und Mog sie allein, um für alle Eiscreme zu kaufen.
    Belle setzte sich neben Jimmy auf eine Bank und sah den Kindern zu, die ihre Boote auf dem Teich fahren ließen. »Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem wir von Seven Dials hierhergekommen sind? Als du mir erzählt hast, dass deine Mutter mit dir hier war, als du ungefähr sieben warst?«
    Er wandte sich zu ihr um und lächelte. »Ja, ich erinnere mich. Es war einer der schönsten Tage meines Lebens. Aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich sechs Jahre später in einem Rollstuhl hier sitzen würde.«
    »Wenigstens sitzt du hier«, entgegnete sie tadelnd. »Du könntest auch in einem der Massengräber in Frankreich liegen. Und ich wäre eine von vielen Kriegswitwen, denen nichts als Erinnerungen geblieben sind. Wir können nicht ändern, was geschehen ist, aber wir können immer noch unsere Zukunft bestimmen.«
    Er sah ihr eine Weile in die Augen. »Vielleicht können wir

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