Der Zauber eines fruehen Morgens
wäre, wenn sie nach Hause gegangen wäre!«, bemerkte sie nachdenklich. »Ich kenne ihre Mutter, und sie ist ein richtiger Drachen.« Sie erzählte Belle, was sie über Mrs. Forbes-Alton wusste. »Und was machst du jetzt mit Miranda?«
»Sie so lange wie möglich schlafen lassen«, antwortete Belle und warf einen Blick zur Tür. »Den Laden kann ich natürlich nicht aufsperren, nicht, wenn ich angeblich bei Lisette bin. Nachher bringe ich Miranda nach Hause. Zum Glück hat die Freundin, bei der sie angeblich übernachtet, kein Telefon. Deshalb kann ihre Mutternicht dahinterkommen, dass sie gar nicht dort war. Miranda kann behaupten, eine besonders starke Monatsblutung zu haben, und sich wieder ins Bett legen.«
»Du musst das da noch loswerden.« Mog zeigte auf den Eimer.
»Ich gieße nachher etwas Terpentin darauf und zünde es an«, sagte Belle. »Jetzt geht es noch nicht; es wäre verdächtig, so früh am Morgen ein Feuer zu entfachen.«
»Hut ab, du hast wirklich an alles gedacht«, stellte Mog bewundernd fest. Es erstaunte sie immer wieder, dass Belle trotz all der Demütigungen und Gräuel, die sie erlitten hatte, sich ihre Menschlichkeit und Warmherzigkeit und ihren Sinn für Humor bewahrt hatte.
Sie hatte Belle von dem Moment an, als sie sie als Neugeborenes in den Armen gehalten hatte, wie ihr eigen Fleisch und Blut geliebt, und sie hätte sie unerschütterlich weitergeliebt, auch wenn sie ihren Verstand und ihre Schönheit verloren hätte. Aber zu erleben, wie sie nach England zurückkam und aus eigener Kraft den Hutsalon, von dem sie immer geträumt hatte, eröffnete und zu einem durchschlagenden Erfolg machte, erfüllte Mog mit unbändigem Stolz.
Belle lächelte schwach. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir etwas einfallen lassen muss. Ich weiß nicht, ob ich Jimmy einweihen soll. Wie hat er denn gestern Abend reagiert?«
»Gut, doch er ist ja immer sehr umgänglich. Nicht wie manche Männer, die gleich explodieren, wenn ihre Frauen mal ausgehen. Da hast du einen guten Kerl erwischt.«
»Ich weiß«, murmelte Belle bedrückt. »Deshalb finde ich es ja so schrecklich, ihn zu belügen.«
»Dann sag einfach nicht viel, sondern erzähl ihm von eurem Baby. Bestimmt ist er so begeistert, dass er gar nicht daran denkt, sich nach Lisette zu erkundigen.«
Belle machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ob Miranda sich wohl noch einmal hier blicken lässt?«
»Möchtest du das denn?«, fragte Mog.
Belle nickte. »Ja. Zuerst fand ich sie ziemlich hochnäsig, dochdann stellte ich fest, dass wir viel gemeinsam haben, und ich fühlte mich ihr sehr nahe. Ich musste immer wieder daran denken, dass ich nur dank der Gnade Gottes nie in ihre Situation gekommen bin. Aber ich habe ihr nicht erzählt, dass ich ein Kind erwarte, es wäre mir nicht richtig vorgekommen.«
Mog seufzte. »Nein, doch mach dir deswegen keine Gedanken! Du warst für sie da, als sie dringend Hilfe brauchte. Na ja, wenn du keine Verwendung mehr für mich hast, mache ich mich lieber auf den Heimweg. Soll ich irgendwas zum Waschen mitnehmen? Jimmy muss nicht unbedingt sehen, dass du so etwas mitbringst.«
»Ein Laken und ein Handtuch«, sagte Belle und stand auf, um die Sachen zu holen. »Ich komme gegen eins nach Hause.«
Als Mog kurz darauf das Tor öffnete, drehte sie sich noch einmal zu Belle um. »Ich bin stolz auf dich«, sagte sie. »In den Augen des Gesetzes hast du vielleicht ein Unrecht begangen, doch meiner Meinung nach bist du tapfer und gütig gewesen. Ich hoffe, Miranda ist klar, wie viel Glück sie gehabt hat.«
Kurz nach eins sperrte Belle den Laden zu, nahm Mirandas Arm und ging mit ihr in Richtung Paragon. Viele Leute strömten zum Jahrmarkt, und Kinder rannten aufgeregt hin und her, weil sie den Lärm und die Musik schon von Weitem hören konnten. Miranda sah blass und abgespannt aus, war aber ganz guter Dinge und hatte keine Schmerzen. Belle war am Vormittag aus dem Laden geschlüpft, um Damenbinden zu kaufen, und beide Frauen waren erleichtert, weil Miranda nicht sehr viel Blut verlor.
»Jahrmärkte scheinen richtig Spaß zu machen«, bemerkte das Mädchen und starrte über die Heide zum Rummelplatz. »Doch Mama hält nichts davon. Amy und ich durften nie auf einen Jahrmarkt gehen. Einmal, vor ein paar Jahren, wollten wir uns nach dem Dinner aus dem Haus stehlen und hingehen, aber sie erwischte uns in dem Moment, als wir gerade bei der Haustür waren. Danach war die Hölle los. Wir hatten eine Woche Stubenarrest,und
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