Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
lässt.«
Elli schaute über die Schulter zu der Höhlung, wo Shimein Nickerchen machte und dabei schnarchte wie ein grollender Drache. »Wie macht er das eigentlich? Ich meine, wie kann er essen wie ein Riese und dabei immer noch wie ein Zwerg aussehen?«
»Hast du dir seinen Bauch angeschaut?« Nuic blies einen Bogen Meerwassertropfen in die Luft wie ein Wal. »Bald ist er so rund wie dieser Tunnel und kann sich nicht mehr rühren. Dann steckt er fest.«
»Wir stecken
alle
fest«, erklärte Elli. »Und es ist schlimmer, als wenn man lediglich keine Fluchtmöglichkeit hat! Selbst wenn wir einen Weg hier hinaus finden könnten, hätten wir immer noch keine Ahnung, wo Kulwych und sein schlimmer Kristall versteckt sind.«
»Aber wenigstens wären wir frei.« Lleu straffte an der Felswand den Rücken und Catha musste mit den Flügeln schlagen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Wir könnten dorthin gehen, wo du Kulwych zuletzt gesehen hast, seinen Spuren folgen und überall in den sieben Ländern, in jedem Baum und jedem Erdloch suchen, bis wir den Kristall gefunden haben. Ich würde sogar in den Ästen des großen Baums hinaufklettern bis zu den Sternen, wenn das nötig wäre!«
Bei seinen Worten versteifte sich Elli. Tamwyn fehlte ihr – sie empfand nicht mehr als einen schwachen Schmerz, aber auch nicht weniger – seit fast einer Woche. Und in der vergangenen Nacht war sie, nachdem sie Nuic getröstet hatte, eingeschlafen mit dem Gedanken, was mit Tamwyn wohl geschehen sei. Jetzt fragte sie den Maryth: »Könnte ich es noch einmal versuchen?«
Der Tannenzapfengeist verstand sofort. Er paddelte zu dem Sims herüber, auf dem sie saß. Sie hob einen tropfenden Fuß aus dem Wasser, berührte mit dem großen Zeh den Galator und schloss die Augen. Dabei dachte sie an Tamwyn – sein sonderbares Verhalten, seine beruhigende Unbeholfenheit und seine beständigen Ideale. Und wie sie sich seinetwegen gefühlt hatte: manchmal schäumend vor Wut und manchmal lebendiger als je zuvor.
Gerade als sie die Augen öffnete, blitzte der grüne Edelstein. Licht und Farbe wirbelten durcheinander, dann verschmolzen sie zu einem Bild. Tamwyn! Er lag schwer verwundet auf dem Rücken in einem verdunkelten Raum. Blutige Verbände bedeckten einen großen Teil seines Körpers. Jemand kniete über ihm und berührte seine Stirn – jemand mit Flügeln! Oder waren das nur Schatten? Es ließ sich unmöglich feststellen.
Elli spähte in den strahlenden Kristall. Wie schlimm waren seine Wunden? Wie hatte er sie bekommen? Und wer war diese geflügelte Person? Ein Er oder eine Sie? Elli gefiel der Gedanke nicht, dass eine andere Frau ihm so nah war – und noch weniger gefiel ihr, dass ihr das etwas ausmachte.
Abrupt verschwamm das Bild. Grüne und violette Schleier wirbelten umeinander, als befände sich im Galator ein Mahlstrom. Dann blitzte es wieder und die normale Farbe des Edelsteins kam zurück.
»Marikel, Mirakel, welch ein Spektakel!«
Sie fuhr zu dem Sprecher herum und bespritzte dabei Nuic mit ihrem Fuß. Wer sprach da? Zu ihrer Überraschung – und der aller anderen – stand direkt hinter ihr aufdem Sims ein gebeugter Mann mit beginnender Glatze. Niemand hatte ihn kommen sehen, niemand hatte seine Schritte in den Ledersandalen oder das Klopfen des Kirschholzstocks auf dem nassen Felsen gehört. Offenbar noch nicht einmal Catha. Hatten sie sich alle so auf den Galator konzentriert oder kam dieser Mann noch verstohlener als ein Geist?
Ein ziemlich törichtes Lächeln erschien auf seinem fahlen Gesicht. Dann verbeugte er sich zum Gruß und umkreiste dabei seinen Stock, als wäre es ein Kinderspielzeug. Als er wieder still stand, teilte er mit: »Seth werd’ ich genannt, meine Scherze sind bekannt. Ich will euch gern zur Seite stehen und nicht auf die Nerven gehen.«
Brionna, die nach dem Griff ihres Langbogens gefasst hatte, betrachtete ihn skeptisch. »Wie bist du hier herein gekommen? Und wer bist du wirklich?«
Bevor er antworten konnte, sagte Lleu streng: »Und hör mit dieser höllischen Reimerei auf! Benimm dich einen Moment ganz normal und sag uns, wer du bist.«
Der Mann nickte recht liebenswürdig. Er war zusammengekrümmt, deshalb wippte sein ganzer Körper wie eine Feder, wenn sein Kopf auf und ab ruckte. Kleine Silberglöckchen, die an Ärmel und Schultern seines braunen Wamses und an seine ausgebeulten Leggings genäht waren, klimperten. Das alles wirkte ziemlich komisch.
Er räusperte sich
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