Der Zauberspiegel
Kackmist!
Hinter einem Zaun befanden sich die Pferde der Todesreiter. Sie wieherten und tänzelten in dem engen Gatter umher.
Die Zelte bildeten einen Kreis. Genauso, wie es in Iorgens Lager gewesen war. In der Mitte brannte ein großes Feuer, über dem ein Kessel hing. Nur wenige Schritte entfernt stand ein Zelt, das eben ein Soldat betrat. Er öffnete die Zeltbahn und gab ihr damit den Blick auf einen mannsgroßen Kristall frei. Es war ein Schock für sie, als sie erkannte, dass in dem Stein eine Person eingeschlossen war. Genauso, wie sie es geträumt hatte. Kloob hielt Moira in dem Kristall gefangen. Nicht tot, aber auch nicht lebendig.
Mit übernatürlicher Schärfe erkannte sie jedes Detail von Moiras Aussehen. Die hellen Augen, die weit aufgerissen ins Leere starrten. Eine kleine Falte in der Nasenwurzel, die Lippen. Das Haar streifte die Schultern und glänzte nur eine Idee heller als ihr seidig schimmerndes Kleid. Juliane empfand Moiras Furcht und Schrecken wie einen eisigen Hauch in ihrem Kopf.
Ich werde dich retten, Moira, schwor sie und entfernte sich auf allen vieren.
Sie fuhr erschrocken zurück, als sie die Anwesenheit einer Person wahrnahm. Juliane blickte auf und erkannte mit Erleichterung Aran, der mit einem fast spitzbübischen Lächeln auf sie herabgrinste. Er reichte ihr seine Hand und half ihr auf. »Was tust du hier?«, fragte sie flüsternd.
»Ich habe mir gedacht, es könnte nicht schaden, auf dich achtzugeben.«
Unwillig verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Hältst du mich für dumm genug, den Todesreitern in die Arme zu laufen?«
Aran legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen und zog sie von dem Lager fort, tiefer in den Wald hinein. Dort, in ausreichender Entfernung von den Soldaten, wandte er sich ihr wieder zu.
»Nein, das denke ich nicht.«
Er blickte ihr ins Gesicht und sah fast so aus, als unterdrückte er mühsam das Verlangen, sie an sich zu ziehen und sie zu küssen. Aran sah verändert aus. Ob er sie auch so sehr liebte wie sie ihn? Plötzlich umarmte er sie.
»Danke für deine Freundschaft«, flüsterte er.
Wow! Sie erwiderte seine Liebkosung. Dumpfer Schmerz schwang in ihren Gefühlen und mischte sich mit tiefer Zuneigung und Vertrauen. Ich will nicht nur deine Freundschaft, Aran. Ich will auch deine Liebe!
Kalira und Ranon lauschten dem Bericht der beiden schweigend. Enttäuscht schüttelte Kalira den Kopf.
»Ich kann nicht glauben, dass alles umsonst gewesen sein soll«, murmelte sie. »Es muss doch eine Möglichkeit geben, Moira zu befreien.«
Im Rebellenlager hatte sich alles einfach angehört. Sie hatten sich darauf verlassen, dass Moira nicht sonderlich gut bewacht würde, weil sie in einem Tal gefangen gehalten wurde, in das sich niemand wagte. Und dass man sie in der Nähe eines Lagers bei den Bergen finden würde.
»Ich habe eine Idee«, sagte Juliane zögernd. Wenn ihre Idee durchführbar war, würde sich Moiras Befreiung vielleicht als einfacher erweisen, als sie befürchteten.
Die ominösen, goryydonischen Schicksalsmächte meinten es in dieser Nacht gut mit ihnen. Die Himmelskörper verbargen sich hinter schweren, bleigrauen Wolken. Nebel kroch langsam wabernd durch das Dickicht.
Juliane schluckte und überblickte ein letztes Mal das Feldlager der Todesreiter. Sie nestelte an den Verschlussriemen der Rüstung. Finger legten sich um ihre Hand. Sie drehte den Kopf Aran zu. Er nickte und half ihr geschickt beim Schließen der Panzerung. Dennoch passte die Uniform alles andere als perfekt. Einmal mehr erleichterte sie der Umstand der Dunkelheit.
Erneut starrte sie auf die Lichtung, fixierte die Wachen, die sichtlich gelangweilt auf ihren Posten standen.
Trotz oder vielleicht wegen der verstärkten Sicherheitsvorkehrungen schienen die Soldaten die Umgebung nicht ernsthaft zu kontrollieren. Ein Teil der Todesreiter patrouillierte in der Umgebung, während der Rest zu dieser späten Stunde in den Zelten lag.
Sie presste sich tiefer zwischen die Büsche, ehe sie sich vergewisserte, dass Kalira und Ranon Stellung bezogen hatten. Gemeinsam hatten sie einen einfachen, aber waghalsigen Plan entwickelt, mit dem sie hofften, Moira befreien und anschließend in den morvannischen Wäldern untertauchen zu können.
Ranon breitete die präparierten Pfeile vor sich und Kalira auf dem Waldboden aus, dann warteten sie auf Julianes Zeichen. Sie sah sich nach Aran um, doch der war still und heimlich wie ein Geist ins Feldlager der Todesreiter
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