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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Garner
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Tscha, ich schüttel also ‘n Kopf und trag den Eimer ins nächste Zimmer. Das Feuer brennt ordentlich, aber der Kohlenkasten könnt noch was vertragen. Komm ich zurück und guck aus’m Fenster, und da sind die schon wieder! Diesmal seh ich ‘n großes Stück Bart, aber jetzt ist er schwarz! Blicken sich immer wieder finster um, dann werfen sie sich flach auf’n Bauch und ziehen Kopf und Beine ein wie Schildkröten.
    Tatsache! Konnt sie so im Schnee kaum noch erkennen.
    Tscha, und nach ‘n paar Minuten stehn sie auf und traben weiter, aber jetzt Rücken an Rücken, bitte schön! Dann wieder platsch auf’n Bauch! Ich sag euch, konnt’s kaum glauben. Ich seh ihnen nach, bis sie dicht am Wald sind, dann ziehn sie die Köpfe ein und rennen los! Da steckt dieser Frost hinter, hab mich nicht verguckt. Wird noch manchem so ergehn, sag ich euch, wenn das noch lang so weitergeht… He, Fred! Was is’
    los? Ist dir nich gut? Was hast du’s so eilig?»
    Die Tür schlug zu.

    «He, was is’ denn mit dem los? He, ihr da, kommt doch mal her! Seht euch Fred an! Rennt die Straße hoch, als hätte er die Hose am Brennen! Ich sag’s euch, das macht das Wetter!»
    Der Wald von Pyethorne ist nicht groß. Eigentlich ist er nur ein schmaler Streifen, der die beiden Teiche von Thornycroft Hall trennt, und es war dieser Teil des Waldes, in dem Gowther auf die anderen wartete. Als sie wieder zusammen waren, beschlossen sie eine Stunde auszuruhen, ehe sie die andere Seite des Teichs östlich von Thornycroft Hall untersuchten.
    «Wir müssen abwechselnd Wache halten», sagte Fenodyree.
    «Durathror und ich werden uns die Nacht teilen, und bis wir in den Wald kommen, wird einer von euch während der Mittagspause wachen. Abgemacht?»
    Sie rollten sich in ihre Riesenbartmäntel ein und vergaßen den Schnee. Sogar ihre eisigen Füße erwärmten sich, und nach einem solchen Vormittag ließ der Schlaf nicht lange auf sich warten.
    Colin hatte sich erboten, die erste Wache zu übernehmen. Er saß auf einem Baumstumpf und blickte sich um, zum ersten Mal wurde er der Schönheit des Tages gewahr. Die Luft war ruhig, und obwohl die Sonne von einem wolkenlosen Himmel schien, waren ihre Strahlen nicht kräftig genug, die zarte Schneekruste zu schmelzen, die zentimeterhoch bis an die Enden selbst der schlanksten Zweige aller Bäume standen.
    Pyethorne war heute ein Wald aus Spitze. Am Morgen auf Redesmere waren es noch Eisschollen gewesen, aber hier war das Eis jetzt eine ununterbrochene Fläche, dick und blau wie Stahl.
    Draußen im Eis befand sich eine Insel, so sehr mit Bäumen bedeckt, dass es aussah, als wüchsen sie direkt aus dem See.
    Dies war zunächst alles, was Colin sehen konnte; doch indem die Minuten vergingen, begann etwas zwischen den Bäumen Gestalt anzunehmen. Dieser Eindruck war am stärksten, wenn er nicht direkt auf die Insel blickte, doch selbst dann war er sich lange Zeit nicht sicher, ob da überhaupt etwas war. Und dann wurde es plötzlich, wie eine versteckte Figur in einem Vexierbild, unerwartet deutlich sichtbar, und Colin seufzte befriedigt. Es war ein klobiger Turm, alt und verfallen und so von Bäumen eingeschlossen, dass Colin, wenn er nichts anderes zu tun gehabt hätte, als anderthalb Stunden herumzusitzen und in die Gegend zu schauen, ihn niemals bemerkt haben würde.
    Muss nachher mal sehen, wie lange die andern brauchen, den zu entdecken, dachte er, lachte über seine Blindheit und setzte die Wache fort.
    Dann begann der Turm Colin merkwürdig zu beunruhigen. Er spürte, dass er ihn mit ausdruckslosen Augen anstarrte. Er setzte sich mit dem Rücken zu ihm, aber das machte die Sache noch schlimmer und er musste sich wieder umdrehen.
    Einbildung, sagte er sich. Ein Turm in diesem Zustand musste ja einfach finster aussehen, bewohnt war er offensichtlich nicht. Aber Colin konnte nicht zur Ruhe kommen, wenn er den Turm nicht im Blick hatte.
    Er begann seine Augen von rechts nach links schweifen zu lassen, über den See hin und wieder zurück, wobei er aber nicht ein einziges Mal direkt zu der Insel hinsah. Natürlich wurde so der Drang, dies doch zu tun, immer stärker.
    Schlimmer noch, er dachte daran, wie unangenehm es wäre, wenn er den Kopf wandte und etwas – sähe. Dann malte er sich in seiner Fantasie dieses «Etwas» aus, und von da war es nur noch ein kurzer Sprung zu der Vorstellung, es sei tatsächlich da. Colin holte tief Luft. Nachdem er zugelassen hatte, dass er sich in einen solchen Zustand

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