Der Zirkel Des Daemons
um Nicks Mutter hatte kümmern müssen. Aber so hatte er es sich nicht vorgestellt. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass Alan, klein wie er war und gefangen in einer wahnsinnigen Welt, mit angesehen hatte, wie ein Mann und eine Frau miteinander um ein Baby kämpften, um ein Dämonenbaby.
Nick besaß eine Erinnerung, die so schwach war, dass es genauso gut Einbildung hätte sein können. Er lag
in einem kleinen Bett, und Alan beugte sich über ihn, tauchte aus der Dunkelheit auf und sang etwas ihm Unverständliches. Menschliche Worte. In der Erinnerung sah Alans schmales, kleines Gesicht besorgt und liebevoll aus. Nick hatte diesen Ausdruck schon tausendmal auf Alans Gesicht gesehen und sich nie gefragt, was Alan sah, wenn er Nick anschaute.
Den Blick von Alans Tränen abwendend, entdeckte Nick nun die Uhr. Sie stand im Schatten hinter Anzus Freudenfeuer. Eine Sekunde lang sah er sein eigenes Gesicht in dem vom Feuer erleuchteten Uhrenglas, sein Spiegelbild, durch die Wölbung des Glases geformt wie eine Sichel.
Selbst das Licht der Flammen konnte diese schwarzen Augen nicht erwärmen. Das Gesicht sah aus wie das eines Mannes, aber es zeigte weniger Gefühl als eine Maske, wirkte nicht menschlicher als eine Puppe.
Sie hatten dieses Ding einem Kind übergeben. Alan.
»Also warst du es, der es sprechen lehrte?«, fragte Arthur. In seiner Stimme lag ehrliche Neugier. »Wie hast du das angestellt?«
Alan hielt den Blick immer noch von Black Arthur abgewandt, aber er antwortete ihm. »Ich weiß nicht. Ich … Er war mir anvertraut worden. Ich redete mit ihm. Ich las ihm vor. Ich ging mit ihm spazieren und erklärte ihm alles. Ich habe ihm die Namen aller Dinge vorgesagt. Er fing an zu reden, als er vier war, und ich war so glücklich. Ich habe versucht … ich habe versucht, alles richtig zu machen.«
»Nein«, sagte Arthur mit dem geduldigen Ton eines Lehrers. »Du hast versucht, ihn zu einem Menschen zu machen.«
Diesmal gab Alan keine Antwort. Er redete nur weiter, ernst und gemessen. Seine Haltung erinnerte Nick an die Zeit, als Alan ihm Gutenachtgeschichten erzählt hatte. »Nachdem er gelernt hatte zu sprechen, dachte Dad … Er dachte, es gäbe Hoffnung. Er versuchte, Nick Dinge beizubringen, versuchte, ihm klarzumachen, wie er sich benehmen sollte. Das Letzte, was er zu mir sagte, bevor du ihn umgebracht hast, war, dass ich auf Nick aufpassen solle. Und das habe ich getan.«
Arthur klang ehrlich verwirrt, als er fragte: »Warum hast du es überhaupt versucht? Glaubst du denn, dass du diesem Ding irgendetwas bedeutest?«
»Ich weiß es nicht«, brach es aus Alan heraus. »Woher soll ich das wissen? Das ist nicht der Punkt. Er bedeutet mir etwas. Ich wollte nie, dass er …« Er unternahm die Anstrengung, die Augen zu Nick zu erheben, hatte aber keinen Erfolg. Doch seine nächsten Worte richtete er an Nick: »Ich wollte nicht, dass du irgendetwas hiervon erfährst.«
»Warum nicht?«, fragte Arthur, der nun wieder belustigt aussah. »Glaubst du etwa, das hätte dieses Ding erschüttert?« Er schob Alan ein wenig beiseite, wandte den Kopf und grinste Nick an. »Bist du erschüttert? Was empfindest du?«
Nick starrte in diese Winteraugen, in das gut aussehende, lächelnde Gesicht. Das war nicht sein Vater. Er
hatte keinen Vater. Dämonen hatten keine Väter. Dämonen hatten keine Familie. Sie lebten ewig, ewig unverändert, in einer öden, grauen Umgebung, so fremd und entfernt wie die schier endlose Distanz, die Nick all die Jahre zwischen sich und jeder Art von Gefühl verspürt hatte.
»Nicht viel«, sagte Nick.
Arthur lächelte wie ein Mann, der richtig geraten hatte.
»Du hast noch nie viel empfunden, nicht wahr?«, fragte er sanft. »Du hast immer mindestens die Hälfte von dem, was Menschen so tun und denken, für rätselhaft und dumm gehalten. Du wolltest keine Menschen retten, so wie Alan. Du wolltest diese Menschen nicht an dich heranlassen. Du verstehst nicht einmal, was Liebe ist. Verstehst du es? Menschliche Liebe? Weißt du, was das ist?«
»Nein«, sagte Nick ruhig.
»Weißt du irgendetwas darüber?«
»Ich …«, sagte Nick und schluckte. »Ich weiß nicht.«
Arthurs Stimme wurde noch sanfter, obwohl die Sanftheit zu glatt und lässig daherkam, um ehrlich gemeint zu sein. »Jetzt ist alles gut. Du bist frei. Du musst nie wieder so tun, als ob du einer von uns wärst. Du kennst jetzt die Wahrheit und du kennst deine eigene Macht. Du weißt, wie es funktioniert: Mit sechzehn
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