Der zögernde Schwertkämpfer
es von allerlei Käfern. Gardinen aus Spinnweben schimmerten im spärlichen Licht, das durch ein Loch im Dach hereinfiel. Aufgeschreckte weiße Vögel beäugten sie aus den Taubenlöchern im oberen Teil der Mauer.
»Vorausgesetzt, niemand hat uns gesehen«, sagte Wallie, »sind wir hier sicher. Offenbar ist seit Jahren niemand mehr hier gewesen.«
»Seit Generationen«, erwiderte Honakura. »Ich hoffe nur, der Durchgang ist noch offen. Wahrscheinlich ist er seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt worden, womöglich sogar noch nie.« Er schniefte. »Vielleicht ist er am anderen Ende zugemauert.«
»Nette Aussichten!« sagte Wallie. »Ich denke, Katanji sollte jetzt die anderen holen gehen. Was meinst du, Nnanji?«
Nnanji, immer noch düsterer Stimmung, nickte.
»Wir brauchen jemanden, der die Tür hinter uns schließt«, sagte der Priester.
»Dann bringe also Jja, Kuhi und Ani mit«, befahl Wallie. Der Junge grinste und wandte sich der Tür zu. »Geh gemächlich. Wenn dich jemand fragt, dann bist du der neue Schützling des Adepten Briu, auf einem Besorgungsgang für diesen … du kannst die Auskunft darüber verweigern, um was es sich dabei handelt. Und bring meine Stiefel mit!«
Katanji machte sich auf den Weg.
Honakura schmunzelte. »Und wer, bitte, ist Kuhi?«
»Ich nehme an, sie ist die sechste im Bunde«, sagte Wallie und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während er sich in dem stinkenden Dreck des Taubenhauses umsah. »Nnanji hat sich eine Sklavin gekauft.«
»Und mit mir sind wir sieben.«
Wallie sah ihn ungläubig an. »Ihr? Bei aller Hochachtung, Heiligkeit, aber das wird Euch umbringen!«
»Davon gehe ich aus«, sagte Honakura ruhig, »wenn Ihr damit sagen wollt, daß ich nie mehr zurückkehren werde. Es kann auch Euch umbringen, junger Mann, und Ihr habt entschieden mehr zu verlieren als ich. Andererseits habt Ihr gute Aussichten auf eine Rückkehr.«
»Wie meint Ihr das?«
»Ihr müßt das Schwert zurückbringen, entsinnt Ihr Euch? Was das bedeutet, weiß ich genausowenig wie Ihr. Doch es könnte bedeuten, daß Ihr es dorthin zurückbringen müßt, wo Ihr es erhalten habt.«
Die Tauben gurrten unwillig, während Wallie über die Vorstellung nachgrübelte, einen so uralten Mann, der an Luxus und ein bequemes Leben gewöhnt war, den Unbilden und Gefahren einer unbekannten Mission auszusetzen. »Ich möchte Euch nicht mitnehmen.«
Der Priester atmete schnaubend aus und schniefte erneut mehrmals. »Seit Ihr mich über die Botschaft des Gottes unterrichtet habt, weiß ich, daß ich mitkommen werde. Meint Ihr nicht, ich könnte von Nutzen sein?«
Darauf gab es keine Antwort. »Ich bin nach wie vor der Meinung, daß Ihr hierbleiben solltet«, sagte Wallie so sanft, wie er konnte. Er hatte Zuneigung zu dem alten Mann gefaßt und wollte ihn verschonen.
»Wenn ich nicht mitkomme, werde ich dem Göttlichen Gericht überantwortet! Natürlich komme ich mit! Sieben müssen es sein! Also, angeblich befindet sich der Ausgang in der vom Tempel am weitesten entfernten Ecke, ich vermute demnach, daß es die dort ist.«
Wallie runzelte die Stirn über die Berge von Taubenkot und reichte Nnanji die Schaufel. Nnanji hatte seine Schmollstimmung einigermaßen überwunden, und langsam erwachte sein Interesse an dem abenteuerlichen Aspekt, den ein Geheimgang bot. Auch er rümpfte zunächst über den Dreck die Nase. Dann zog er seinen neuen orangefarbenen Kilt aus und gab ihn Wallie. Er fing an zu graben, und sofort stiegen faulig riechende Wolken von Verwesungsstaub auf. Wallie und der Priester flüchteten feige hinaus in die frische Luft. Sie standen im Gebüsch und unterhielten sich flüsternd.
»Wie viele Priester kennen diesen Geheimgang?« fragte Wallie.
Honakura schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Das Wissen wird von einem zum anderen weitergegeben. Ich habe vor vielen, vielen Jahren davon erfahren. Als mein Informant starb, weihte ich einen anderen ein. Doch der erste Mann, an den ich deshalb herantrat, wußte bereits davon.«
Ein einfaches System, doch es funktionierte seit wer weiß wie vielen Jahrhunderten. Wallie hätte sich denken können, daß die Priester einen Fluchtweg kannten, von dem die Schwertkämpfer nichts wußten. Vielleicht gab es sogar mehr als einen.
Dann fragte er, warum der alte Mann ins Gefängnis geworfen worden war. Die Antwort bestätigte, was der Halbgott ihm gesagt hatte – er würde die Politik des Tempels niemals begreifen. Ein Teil des Problems
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