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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Kopfstütze
     klebend:
    »Verge-e-e-bung! Oh, o-o-oh, Verge-e-e-bung!«
    »Vergebung? Wofür denn, verdammt noch mal!«, murmelte
     Hufeisen.
    Ein Wachsoldat drohte ihm mit dem Finger. Der andere
     starrte auf den unter den Hieben zuckenden Hintern.
    »Verge-e-e-bung! O-o-o-h, Verge-e-e-hebung!«, jaulte
     Petrow.
    Seine Reue konnte Matjucha nicht besänftigen, im
     Gegenteil, sie reizte ihn sichtlich: Er hieb nun schärfer, in deutlicheren
     Abständen, hielt die Rute vor jedem Schlag einen Moment lang erhoben, als zielte er
     neu, um dann mit nur noch mehr Pfeffer dreinzuhauen. Petrow strampelte mit den
     dicken Beinen, sein Hintern wackelte wie Pudding.
    »Verge-e-bt mir, oh, verge-e-e-ebt mir doch!«, kreischte
     er so inbrünstig in das Brett unter seinem Kopf, dass der weiße Hals erst rosa und
     dann rot anlief. Das kurz geschorene sonnenbleiche Haar zitterte im Nacken.
    »Unser Petrucchio ist ganz schön empfindsam«, brummte San
     Sanytsch und sah zum Himmel.
    Der Geierschwarm, der nun jenseits der Großen Russischen
     Mauer über chinesischem Territorium segelte, hatte sich dezimiert: Vier waren noch
     da, zwei kamen kreischend und halbherzig einander attackierend zurückgeflogen.
    Als über zwanzig Hiebe ausgeteilt waren, stimmte Petrow eine neue
     Strophe seines Bußgesangs an.
    »O Vä-äter, Vä-ä-äter, unsere Vä-ä-äter!«
    »Der pisst sich ein«, äußerte der tumbe Sanjok überzeugt
     und nickte mit dem unförmigen Kopf.
    Petrow zuckte mit den Beinen, sein Genick schlotterte, der
     Kopf presste sich immer heftiger gegen das Brett, drückte das Gesicht platt, aber
     wirklich in Bewegung war nur der Hintern. Die lila Streifen der ersten Hiebe waren
     nun von kräftigem Rot überkreuzt, in den winzigen Blutströpfchen, die auf die weiße
     Haut getreten waren, blinkte das Sonnenlicht.
    Bei den letzten Hieben brüllte Petrow schon wie ein
     Berserker, die Worte waren kaum noch zu verstehen. Es war klar, dass Matjucha sich
     in Wut geschlagen hatte. Bei Hieb Nummer achtundzwanzig brach die Rute entzwei.
    »Puh, Kacke!«, stieß Matjucha hervor, spuckte Petrow auf
     den Hintern und schleuderte den Rest der Rute von sich; schüttelte das rechte
     Handgelenk und verzog angewidert das Gesicht.
    Petrow indes brüllte immer noch, dass sein schwitzender
     roter Nacken bebte. Die Wachen schnallten ihn los. Daraufhin beruhigte er sich
     sofort. Wälzte sich von der Tanjuscha zu Boden, rappelte sich auf, raffte seine
     Hosen und trollte sich zu den Seinen. Matjucha verschraubte den Zylinder, nickte den
     Wachen zu. Die klappten die Tanjuscha zusammen.
    »Guten Appetit!«, warf Matjucha hin, mit einem kurzen,
     finsteren Blick zu den Arbeitern.
    »Wir danken!«, erwiderte der Vorarbeiter, wie es sich
     gehörte.
    Der Scharfrichter und die Wächter mitsamt der Tanjuscha
     begaben sich zum Hubschrauber. Ihnen folgten die Haftentlassenen; Thermoskübel, Brot
     und Geschirr ließen sieauf dem Tisch unter dem Zeltdach zurück.
     Die fünf verschwanden im Bauch der dunkelgrünen Maschine. Die Leiter wurde
     eingezogen, die Tür geschlossen, die Propellerflügel begannen sich zu drehen. Keine
     Minute später hob der Hubschrauber MAUER-Ost-182 ab, drehte eine scharfe Kurve und flog gen Norden davon.
     Zurück blieben Brigade No. 17, ein Zeltdach mit Tisch und Stühlen, ein Fass mit
     Trinkwasser und die Sicherheitssäule mit großer elektronischer Uhr, fünf
     Überwachungskameras und dem grauen runden Lautsprecher.
    »Gefangene! Verbliebene Zeit zum Essenfassen: 16
     Minuten!«, verkündete dieser.
    »Da sieht man’s, die Bestrafung haben sie wieder vom
     Essenfassen abgeknapst«, bemerkte der tumbe Sanjok, nahm die verschossene blaue
     Kappe vom Kopf und eilte unter das Zeltdach.
    »Und das gleich vierzehn Minuten!«, ergänzte der
     dicklippige Botscharow, der im schaukelnden Kamelschritt hinterhertappte.
    »Ja, was dachtet ihr Rindviecher denn!«, fragte der
     hinkende Hufeisen, böse gegen die Sonne blinzelnd.
    Die Arbeiter stellten die Plastikstühle um den Tisch und
     setzten sich. Sawoska und Salman ließen sich nieder, als wäre nichts geschehen. Nur
     Petrow setzte sich unter Ächzen und Grimassen, betastete seine Knie, bevor er sich
     mit den großen weißen Armen darauf stützte. San Sanytsch riss das Essgeschirr aus
     der Packung: tiefe Teller, aus Reispulpe gepresst. Hufeisen packte die Löffel aus.
    »Wer teilt aus?«, fragte Sawtschenko brummig, kratzte sich
     den Kopf, drehte ihn fragend.
    »Ich,

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