Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
Vom Netzwerk:
Aushilfe, die in der Nähe stand zu Hilfe. Als diese im Zimmer erschien, krümmte Maximilian sich und fiel vorne über. Er röchelte nach Luft, verkrampfte sich und zappelte am Boden.
„Der simuliert! Der simuliert!“, ächzte der Zimmernachbar, aber niemand nahm Kenntnis davon. „Hört mir zu! Der simuliert!“
Die Frau blieb regungslos stehen. Für so etwas bildete man die Helfer nicht aus. Vor ihr lag 1211 M.H. (m), Patientennummer: 1467 8999 BZ, Einlieferungsdatum: 27. Oktober. Er krümmte sich, röchelte und zitterte, vielleicht eine Herzattacke, vielleicht etwas Schlimmeres. Die Aushilfe drehte sich um und lief los, zuerst in die falsche Richtung, dann wendete sie und nahm den anderen Weg – irgendwo musste ein Pfleger, die Oberschwester oder eine Ärztin sein, die wusste, was zu tun war. Doch bei all der Hektik vergaß sie, die Tür abzuschließen. Maximilian stand sofort auf; er beherrschte das Schauspiel, ein richtiger „Method-Actor“, wie de Niro.
Alles musste schnell gehen. Clara zog den weißen Arztkittel an, den Maximilian hatte mitgehen lassen. Dann klemmte sie die Chipkarte dran. Maximilians wenige Sachen lagen bereits gepackt im Schrank. Kurz darauf saß er in einem Rollstuhl und Clara schob ihn zum Aufzug. Die beiden sahen wie Ärztin und Patient aus. Sie setzte sogar ihre alte Hornbrille auf, die sie sonst nie trug. Das gab ihr etwas Intellektuelles und sie sah wie eine richtige Ärztin aus.
„Das klappt nie! Und ich komme in den Knast! Wegen Diebstahl eines Rentners oder wegen Beihilfe zur Flucht. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.“
Plötzlich fuhr der Aufzug nach oben. Clara und Maximilian versteckten sich sofort im Treppenhaus und warteten.
2. Stock: Der Aufzug hämmerte gegen die Wände, dann ein Quietschen.
3. Stock: Ein freundliches Pling kündigte Besuch an. Die Tür ging auf und die Studentin lief heraus, gefolgt von einer Ärztin.
Clara schob den Rollstuhl mit Maximilian aus dem Treppenhaus. Noch bevor die Tür zuging, verschwanden sie im Aufzug. Dann setzte er seine Fahrt nach unten fort.
2. Stock: Zwei Pflegehelferinnen stiegen ein, sie grüßten freundlich und lehnten sich dann an die Wand. Clara blickte an sich herunter. Sie hatte ihre Stiefel vergessen. Keiner trug solche Schuhe hier.
1. Stock: Die jungen Frauen musterten sie und bemerkten ihre Straßenschuhe. Sie konnte die Frage förmlich auf ihren Gesichtern sehen: Warum trug die Ärztin Straßenschuhe? Mit hohen Absätzen? Jetzt sahen sie sich gegenseitig an. Wieder das gleiche fragende Gesicht.
Erdgeschoss.
„Wie laufen Sie eigentlich rum?“, fuhr Clara die beiden Frauen an. „Wir sind hier nicht auf der Straße!“
Sie zeigte auf die abstehenden Haare der Ersten, dann auf die Piercings der Zweiten.
„Hat man Ihnen nicht gesagt, dass dieser Aufzug nicht unserer Kleidervorschrift entspricht?“
Zuerst wusste sie nicht, ob ihr Trick funktionierte. Den beiden Frauen fehlten die Worte, sie blickten sich gegenseitig an. Doch dann entschuldigten sie sich mehrmals, sie hatten davon nichts gewusst, aber natürlich wollten sie das gleich am nächsten Tag ändern – alles nur ein Missverständnis, aber gut, dass man ihnen das sagte.
Als die Tür sich öffnete, stiegen sie mit den beiden aus, sofort huschten sie beiden Frauen um die nächste Ecke, um den prüfenden Blicken dieser strengen Ärztin zu entgehen. Clara fühlte sich gut. Sie merkte, wie sie an innerer und äußerer Größe gewann. Ihr Rücken streckte sich, die Muskeln zogen sich zusammen, sie fühlte sich stärker. Autorität fühlte sich so gut an.
„Wir müssen jetzt links, dann gleich rechts und dann zum Ausgang!“, flüsterte Maximilian und tat so, als würde er leiden. Er keuchte, hustete mehrmals und ließ den Mund etwas offen stehen. Dennoch durften sie keine Zeit verlieren. Sobald die Oberschwester die Flucht meldete, kamen sie nicht mehr raus. Vor allem der Ausgang stellte das größte Hindernis dar. Er war zu gut bewacht. Einfach nur die Chipkarte in das Lesegerät stecken und durch die Schranke gehen, funktionierte nicht. Der Wächter verlangte immer den Namen der Angestellten, um sie ein- oder auszutragen.
Clara befand sich mit Maximilian auf den letzten Metern. Eine Altenpflegerin und ein bauchiger Pfleger unterhielten sich gerade in der Nähe. Die Frau wollte gerade Feierabend machen und sich von ihrem Kollegen verabschieden, doch plötzlich ertönte der Alarm. Es war ein schnelles rhythmisches Piepen, das nicht zu laut erklang, aber sofort

Weitere Kostenlose Bücher