Der Zusammenbruch
Etain und Mars-la-Tour sie aufhielt, der kühne Angriff der preußischen Kavallerie und Artillerie, die diese Straßen am Morgen abschnitten, die langanhaltende, verworrene Schlacht, die Bazaine noch bis zwei Uhr hätte gewinnen können, da er nur eine Handvoll Leute vor sich über den Haufen zu rennen brauchte, und die er wegen der unerklärlichen Furcht verlor, er könne von Metz abgeschnitten werden; die Riesenschlacht, die sich meilenweit über Hügel und Ebenen hinzog, in der die von vorn und in der Seite angegriffenen Franzosen Heldentaten verrichteten, um nicht vorgehen zu brauchen, und dem Feinde Zeit ließen, sich zu sammeln, so daß sie selbst im Sinne der Preußen arbeiteten, die sie zum Zurückgehen auf das andere Flußufer bringen wollten. Am 18. endlich, nach dem Rückzug auf das befestigte Lager, fand dann bei Saint-Privat der letzte Kampfstatt, eine Angriffslinie von dreizehn Kilometern, zweihunderttausend Deutsche mit siebenhundert Kanonen gegen hundertundzwanzigtausend Franzosen, die nur fünfhundert Geschütze hatten, die Deutschen mit der Stirn gegen Deutschland, die Franzosen gegen Frankreich, als wären bei der eigenartigen Drehbewegung, die sich vollzogen hatte, die Eindringlinge die Überfallenen geworden, das fürchterliche Handgemenge von zwei Uhr an, in dem die preußische Garde zerhackt und zurückgeworfen wurde und Bazaine lange Zeit siegreich blieb, stark durch seinen unerschütterlichen linken Flügel bis zu dem Augenblick, wo gegen Abend der schwächere rechte Flügel Saint-Privat inmitten eines greulichen Gemetzels aufgeben mußte und das ganze Heer geschlagen mit sich riß, das auf Metz zurückgeworfen wurde und von nun mit einem eisernen Gürtel eingeschlossen war.
Jean unterbrach Henriette alle Augenblicke beim Lesen und sagte:
»Na ja! Und wir warteten schon von Reims ab, daß Bazaine käme!«
Die am 19. nach Saint-Privat aufgegebene Depesche des Marschalls, in der er davon sprach, seine Rückzugsbewegung über Montmédy wieder aufnehmen zu wollen, diese Depesche, die den Vormarsch der Armee von Châlons veranlaßt hatte, erschien jetzt nur noch als der Bericht eines geschlagenen Führers, der seine Niederlage zu beschönigen wünscht; und später noch, am 29., als er die Nachricht vom Anmarsch einer Entsatzarmee durch die preußischen Linien hindurch erhielt, da hatte er bei Roisseville einen letzten Versuch auf dem rechten Ufer unternommen, aber so kraftlos, daß die Abteilung von Metz am 1. September, demselben Tage, an dem die Gruppe von Châlons bei Sedan vernichtet wurde, sich zurückzogund nun endgültig gelähmt, für Frankreich tot dalag. Der Marschall, der bis dahin nur für einen mittelmäßigen Führer gegolten hatte, da er es unterließ, sich die Wege zunutze zu machen, solange sie offenstanden, und dem sie später durch überlegene Kräfte versperrt wurden, sollte von nun an unter der Herrschaft politischer Vorurteile als Verschwörer und Verräter dastehen.
Aber in den Zeitungen, die Doktor Dalichamp mitbrachte, blieb Bazaine der große Mann, der tapfere Soldat, von dem Frankreich noch seine Rettung erwartete. Und Jean ließ sich die Stellen wieder vorlesen, um genau zu verstehen, wie die dritte deutsche Heeresgruppe sie unter dem Kronprinzen von Preußen hatte verfolgen können, während die erste und zweite Metz einschlossen und beide so stark an Menschen und Geschützen waren, daß es möglich geworden war, aus ihnen eine vierte Armee zu bilden und abzusenden, die dann unter dem Befehle des Kronprinzen von Sachsen bei Sedan das Unglück vervollständigte. Nachdem er sich so auf seinem Schmerzensbette, auf dem ihn seine Verwundung festhielt, über alles unterrichtet hatte, blieb er doch voller Hoffnung.
»Also wir waren gar nicht die Stärkeren! ... Einerlei, sie führen doch Zahlen an: Bazaine hat Hundertfünfzigtausend Mann, dreihunderttausend Gewehre, über fünfhundert Geschütze; er wird ihnen schon nach seiner Art verdammt eklig einen beibringen!«
Henriette nickte mit dem Kopfe und schloß sich scheinbar seiner Meinung an, um ihn nicht noch trübseliger zu machen; sie verlor sich gänzlich in diesen mächtigen Truppenbewegungen, aber sie fühlte doch das Unvermeidliche des Unheils. Ihre Stimme blieb klar; sie hätte ihm stundenlang vorlesen können, einfach vor Glücksgefühl, ihm damit ein Vergnügen zumachen. Manchmal aber brachte sie der Bericht über irgendein Gemetzel doch ins Stammeln, und ein plötzlicher Tränenstrom füllte ihre Augen.
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