Der Zusammenbruch
Europas, von der er zurückkehrte, um, wie es hieß, im Namen Napoleons III. zu verhandeln; endlich die Übergabe von Metz, von der er unter all den bereits umlaufenden undeutlichen Gerüchten schreckliche Gewißheit erhielt, der letzte Keulenschlag, ein neues Sedan, bei dem aber die Schande noch größer war. Als er am nächsten Tage von den Vorgängen im Stadthaus hörte, wie die Meuterer einen Augenblick siegreich gewesen wären, die Mitglieder der Regierung der nationalen Verteidigung bis vier Uhr morgens gefangengehalten hätten, die dann nur durch einen Stimmungswechsel in der zunächst gegen sie wild erregt gewesenen, dann aber beim Gedanken an einen siegreichen Aufstand unruhig gewordenen Bevölkerung gerettet worden seien, da tat es ihm leid um diesen Fehlschlag, um die Kommune, von der vielleicht noch das Heil zu erwarten war, der Ruf zu den Waffen, das Vaterland in Gefahr, all die alten Andenken der Geschichte an ein freies Volk, das nicht sterben will. Herr Thiers wagte gar nicht, nach Paris hereinzukommen, und man war nach Abbruch der Verhandlungen so weit, daß man die Stadt festlich beleuchten wollte.
So lief der Monat November in fieberhafter Ungeduld dahin. Es fanden kleinere Gefechte statt, an denen Maurice nicht teilnahm. Sein Lager befand sich jetzt nach der Seite von Saint-Ouen hinüber; er brannte bei jeder Gelegenheit durch, verzehrt von einem ewigen Hunger nach Neuigkeiten. Wie er selbst, wartete auch Paris in sorgenvoller Spannung. Die Wahlen zum Bezirksvorsteher schienen die politischen Leidenschaften beruhigt zu haben; aber fast alle Gewählten gehörten den am weitesten links stehenden Parteien an, und darin lag ein furchtbares Anzeichen für die Zukunft. Undworauf Paris in dieser neuen Ruhe wartete, das war der große, so lange angekündigte Massenausfall, der Sieg, die Befreiung. Abermals ließ das gar keinen Zweifel zu: sie würden die Preußen über den Haufen rennen, über ihre Leichen gehen. Auf der Halbinsel von Gennevilliers wurden Vorbereitungen getroffen, da man diesen Punkt als den für einen Durchbruch geeignetsten ansah. Dann kam eines Morgens die tolle Freude über die gute Nachricht von Coulmiers, Orleans wäre wieder genommen, die Loireabteilung unterwegs und lagerte schon bei Etampes, wie es hieß. Nun war alles ganz verwandelt; es handelte sich nur noch darum, ihr von der andern Seite der Marne her die Hand zu reichen. Die militärischen Kräfte waren umgebildet, es waren drei Abteilungen geschaffen worden, die eine unter dem Befehl des Generals Clément Thomas aus Bataillonen der Nationalgarde zusammengesetzt, die nächste aus dem dreizehnten und vierzehnten Korps gebildet und um alle möglichst guten, von überallher zusammengeholten Bestandteile vermehrt, die General Ducrot bei dem großen Angriff führen sollte; die letzte schließlich, die Reserve, war lediglich aus Mobilgarden gebildet und unterstand General Vinoy. Unbedingter Glaube hob Maurice empor, als er am 28. November mit den 115ern im Gehölz von Vincennes lagerte. Die drei Korps der zweiten Abteilung lagen dort; manche Leute erzählten sich, das Zusammentreffen mit der Loiregruppe sei auf den nächsten Tag bei Fontainebleau festgesetzt. Dann aber traten sofort die gewöhnlichen dummen Zufälle und Fehler auf; ein plötzliches Hochwasser machte es unmöglich, eine Schiffsbrücke zu schlagen, ärgerliche Befehle verzögerten alle Bewegungen. Die folgende Nacht gingen die 115er als eins der ersten über den Fluß; und von zehn Uhr an warMaurice unter schrecklichem Feuer bei dem Durchbruch durch das Dorf Champigny. Er war wie verrückt; sein Chassepot verbrannte ihm trotz der starken Kälte die Finger. Seit es losging, war sein einziger Wille darauf gerichtet, immer weiter so vorwärts zu dringen, bis sie die Waffenbrüder aus der Provinz dort draußen erreicht hätten. Aber gegenüber Champigny und Bry stieß die Abteilung mit einemmal auf die Mauern des Parks von Coeuilly und Villiers, einen halben Kilometer lange Mauern, die die Preußen zu uneinnehmbaren Festungen gemacht hatten. An dieser Schranke mußte jeder Mut scheitern. Von da an gab es nur noch Zaudern und Rückwärtsfließen; das dritte Korps kam zu spät; das erste und zweite, die sich schon festgerannt hatten, verteidigten Champigny noch zwei Tage lang, bis sie es in der Nacht des zweiten Dezembers nach einem unfruchtbaren Siege im Stiche lassen mußten. In dieser Nacht bezog die ganze Gruppe wieder Lager unter den von Rauhfrost weißen Bäumen
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