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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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das Opfer tausender Männer, die sie nur als verächtliches Lustobjekt benutzt hätten. So seien die Morde nur die Konsequenz ihres von Männern versauten Lebens gewesen. Sie habe es einfach satt gehabt, sich von diesen geilen Scheißkerlen mißbrauchen zu lassen.
    »Glauben Sie mir«, ruft sie aus, »ich könnte manchmal durchdrehen, wenn ich darüber nachdenke, was ich angestellt habe. Wo ich doch so viele Männer umgebracht habe. Was meinen Sie, was ich da manchmal für Schuldgefühle habe! Aber dann bin ich auch wieder glücklich und fühle mich gut, richtig wie eine Heldin, weil ich doch eigentlich was Gutes getan habe, wenn ich die Welt von diesen Dreckskerlen befreie, bevor sie jemand anderm was tun können.«
    Einmal behauptet Aileen, sie habe nur aus Liebe zu Ty gemordet: »Weil es mir solchen Kummer bereitet hat, daß wir keine Wohnung und überhaupt nichts hatten.«
    Und schließlich macht sie die ganze Welt für ihre Taten verantwortlich: »Die Weltkrise. Jeder will nur jeden reinlegen.«
    Am Ende offenbart sie, sie wisse überhaupt nicht, warum sie das alles getan hat: »Offen und ehrlich, ich weiß es nicht.«
    Im nachfolgenden Mordprozeß liefern sich Anklage und Verteidigung erbitterte Auseinandersetzungen. Aileens Biographie erklärt ihren zerstörerischen Haß. Das Elternhaus konnte ihr keinen Lebenssinn vermitteln und keinen Lebenshalt geben. Als Aileen geboren wurde, war ihre Mutter gerade sechzehn geworden. Aileens Erzeuger war ein krimi neller Psychopath. Aileen wurde frühzeitig drogensüchtig und terrorisierte ihre Umwelt. Die Ehe mit einem siebzigjährigen reichen Mann scheiterte. Aileen wurde zur Straßenhure. »Die Prostitution«, so erklärt sie dem Gericht, »war die einzige Möglichkeit für mich. Die Kirche konnte mir nicht helfen. Ich versuchte, Polizistin zu werden. Aber ich hatte kein Abschlußzeugnis. Das einzige, was ich tun konnte, war, als Prostituierte zu arbeiten.«
    Reynolds drückt dieses Erbe der Kindheit drastisch aus: »Aileen war in eine Welt der Vernachlässigung, des Jähzorns, des Kummers und des Alkohols hineingeboren worden: ein Nährboden, auf dem ein Kind zwangsläufig ein gestörtes Sozialverhalten entwickeln mußte.«
    Warum ihr verständlicher Frust, ihr Haß gegen eine Machowelt Aileen zur Mörderin werden ließ, läßt sich nur erahnen. Sicherlich haben zwei Jahrzehnte Prostitution sie seelisch und moralisch verhärtet. Möglicherweise hat ihre lesbische Veranlagung ihren Widerwillen gegen die Männer, die sie als Prostituierte benutzten, bis zum Haß gesteigert, der sich schließlich als mörderische Rache an der Männerwelt entlud. Der Mord wurde für sie, die immer nur wehrloses Objekt war, zum Ausdruck von Macht, wie sie selbst gestand: »In diesem Augenblick hatte plötzlich ich die Zügel in der Hand und dachte mir, was immer die auch mit mir vorgehabt hatten, jetzt sitze ich am länger en Hebel.«
    Von Aileens unterbewußten Motiven muß man die bewußten unterscheiden, mit denen sie die unbewußten zu erklären versucht. Dazu gehört das sogenannte RaskolnikowMotiv. Ähnlich wie der Mörder Raskolnikow in Dostojewskis Roman Schuld und Sühne behauptete auch Aileen, mit ihren Morden habe sie die Welt von unnützen und gefährlichen Dreckskerlen befreien wollen. Josef Rattner bemerkt über diesen »Raskolnikow-Typ«: »In der Aggression gegen Mitmensch und Gesellschaft rächt er sich gegen alle wirkliche und vermeintliche Unbill, die ihm die Welt angetan hat. Wie armselig und asozial seine Tat auch sein mag: in seinem Denken und Fühlen wird sie zum Ausdruck der Stärke und Gottähnlichkeit. . . Das Verbrechen erscheint dem nicht zur Kooperation erzogenen Menschen oft als ein Ausweg, als ein Mittel, sich selbst zu bestätigen.«
    Das »Raskolnikow-Motiv« findet sich auch bei anderen Serienmördern. Der amerikanische Serienmörder Gacy rechtfertigte seine Morde damit, daß er die Welt von »Versagern und kleinen Perversen« befreien wollte, der Serienmörder Kemper bezeichnete seine Morde sogar als »poetische Gerechtigkeit«.
    Immer wieder aber, trotz aller individuellen Varianten, entspringt eine solche bösartige Aggression einem gestörten oder zerstörten Selbstgefühl. E. Fromm weist darauf hin, destruktive Aggressivität diene dazu, einen anderen Menschen zu demütigen und sich zu dessen Gott zu machen. Das verschaffe dem Aggressor Lust und volle Befriedigung.
    Das Gericht ist bemüht, Aileens psychischer Deformierung auf die Spur zu kommen. Einem

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