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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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kann eine so schöne Frau nicht leiden sehen«, sagte er und tippte etwas in den Computer. »Offensichtlich handelt es sich hier um einen Notfall. Ah, hier ist es. John Nagashi.«
    Er scheint genauso viele Namen zu benutzen wie ich, dachte Lara. »Haben Sie seine Adresse?«
    Hosseini nannte ihr ein Hotel namens Plaza mit Straße und Hausnummer, doch Lara wusste sofort, dass dies nicht stimmen konnte. Die Adresse befand sich mitten im Industriegebiet. James Akanawe oder John Nagashi oder wie immer ihr ominöser Verfolger auch hieß, hatte die Adresse frei erfunden.
    »Was können Sie mir sonst noch über den Mann erzählen?«, fragte sie.
    »Sehr wenig, furchte ich. Er war nicht besonders aufgeschlossen. Nur an eines kann ich mich gut erinnern: Er war mein erster Kunde, der sich lieber auf Französisch als auf Persisch oder Englisch mit mir unterhielt. Er beherrschte die Sprache sogar besser als ich.«
    Ein Japaner in Isfahan, der Französisch spricht, dachte Lara. Wenn das nicht ungewöhnlich ist. Aber wie kann mir das weiterhelfen?

25.
    W ad Hashabi, das Beja-Dorf, ging Emmet Walsh nicht mehr aus dem Kopf. Frauen, Kinder und Greise. Spurlos verschwunden. Angeblich versklavt.
    An dieser Geschichte war etwas faul.
    Anthony Nangala musste das ebenfalls gespürt haben. Das sagte Emmet sich immer wieder, als er nun im Mietwagen auf der staubigen Küstenstraße in Richtung Süden fuhr. Anthony war seinem Instinkt gefolgt und in Wad Hashabi auf etwas Wichtiges gestoßen, das ihn voll und ganz in Beschlag genommen hatte. Andernfalls hätte er die Zeit gefunden, seine Unterlagen auch im September weiter zu pflegen. Aber das hatte er nicht getan. Der ausgeschnittene Zeitungsartikel war chronologisch gesehen das letzte Dokument der Akte. Folglich musste es etwas zu bedeuten haben.
    Hoffentlich verrenne ich mich nicht in einer fixen Idee, dachte Emmet. Doch eine andere Spur hatte er nicht.
    Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel und ließ die Temperatur im Wagen spürbar steigen. Emmet schaltete die Klimaanlage ein, musste jedoch feststellen, dass sie nicht funktionierte. Also kurbelte er ein Fenster herunter. Der heiße Fahrtwind trieb ihm den Schweiß nur noch mehr aus den Poren.
    Bei Suakin, sechzig Kilometer südlich von Port Sudan, wurde die Küstenstraße schmaler und war in weniger gutem Zustand. Hundert Kilometer weiter verschlechterten sich dieStraßenbedingungen abermals. Obwohl Emmet bei der Mietwagenfirma eine Karte erstanden hatte, glaubte er, sich verfahren zu haben. In einem Fischerdorf fragte er nach dem richtigen Weg, was angesichts der Sprachschwierigkeiten gar nicht so einfach war. Erst als er die Straßenkarte holte und mit dem Finger auf sein Ziel zeigte, bedeutete ihm der Tankwart mit Handbewegungen, sich weiter auf der Staubpiste zu halten.
    Eine Stunde später erreichte er sein Ziel. Er parkte den Wagen im Schatten eines knorrigen Affenbrotbaums und machte sich die letzten Meter zu Fuß auf den Weg. Unter der glühenden Sonne war der Boden hart und rissig geworden. Wie im größten Teil Nordafrikas herrschte auch hier arides Wüstenklima. Weder die nur wenige Kilometer entfernte Küste noch die nahen Ausläufer der eritreischen Berge vermochten in den Sommermonaten Kühlung oder gar Regen zu bringen.
    Das Dorf bestand zum größten Teil aus kreisrunden Lehmhütten mit winzigen, bullaugenartigen Gucklöchern. Aber es gab auch mehrere kastenförmige, weiß getünchte Häuser mit Fensterscheiben. Am anderen Ende des Ortes erblickte Emmet einige Kamele. Ein Stück abseits nagten magere Ziegen an vertrockneten Gräsern und Baumzweigen.
    Er seufzte. Wo sollte er mit seiner Suche anfangen?
    Ihm fiel ein Schriftzug ins Auge, der über dem Eingang eines der größeren, weißen Häuser prangte. Große Stücke der Farbe waren bereits abgeblättert; dennoch war noch deutlich das Wort  Metzgerei zu lesen, auf Englisch. Vielleicht ein Relikt aus der Kolonialzeit. Jedenfalls hoffte Emmet, dass man ihn dort würde verstehen können. Anderenfalls musste er sich nach einem Dolmetscher umsehen.
    Emmet schlenderte zu der Metzgerei. Dabei entgingen ihm nicht die Blicke der Einwohner, die vor ihren Hütten saßen und ihn mit unverhohlener Neugier beobachteten.
    Sehr gut, dachte er. Falls Anthony Nangala hier war, ist das bestimmt jemandem aufgefallen.
    Vor der Metzgerei stand ein Holzregal, auf dem zwei Ziegen- und zwei Kamelköpfe lagen, damit jeder sich davon überzeugen konnte, wie frisch das Fleisch der

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